Geschlechterverhältnisse und patriarchaler Charakter bei Heidegger

Susanne Lettow macht es sich in ihrer Untersuchung von "Sein und Zeit" zu leicht

Von Georg KastenbauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Kastenbauer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Susanne Lettow versucht Heideggers "Sein und Zeit" unter feministischer Hinsicht zu analysieren. Sie will dabei herausarbeiten, was daran patriachalen Charakter hat und woran trotzdem aus feministischer Sicht angeschlossen werden könnte. "Der Ausgangspunkt der Untersuchung war die Frage, wie die Geschlechterverhältnisse in "Sein und Zeit" philosophisch verarbeitet sind." Dabei schreckt sie nicht davor zurück, ziemlich platte und nur konnotativ erahnbare "Geschlechterarrangements" darzustellen, die in "Sein und Zeit" durch eine weitergreifende Argumentation nicht beweisbar sind. So findet sie im Text Heideggers, z. B. im "Ruf der Sorge", "ein altes Mythologem, das Verlangen nach Rückkehr in den Mutterschoß." Wo - fragt man sich - könnte man dies wohl nicht finden, wenn man ausschließlich konnotativ vorgeht und lediglich Ähnlichkeiten der benutzten Wortwahl als Argument auffasst oder banale Tatsachen wie die, dass "Sorge" grammatikalisch weiblich ist?

Die Konstruktion der Weiblichkeit in "Sein und Zeit" erschließt sie aufgrund ihrer "konnotativen Methode" - obwohl sie Heideggers explizite Negation davon kennt - in Bezugnahme auf den biblischen Sündenfall. Hier ist ihr Gedankengang folgender: Da in Heideggers "Konzept des Verfallens, mit dem die Bewegung der Geworfenheit bezeichnet wird", der Begriff "Verfall" eine zentrale Rolle spielt, ist dieses Konzept - ob Heidegger es so meint oder nicht - mit dem von Eva in der Bibel herbeigeführten Sündenfall verbunden. Die Konstruktion der Uneigentlichkeit, die mit diesem "Verfall" erklärt wird, ist darum "mit einer Konnotation von Weiblichkeit" ausgestattet.

Statt dieser unsoliden Herleitung wäre wünschenswert, einfach einmal den Text genauer zu lesen. Vielleicht wäre dann der patriachale Charakter des Heideggerschen Werks von Susanne Lettow tatsächlich zum Vorschein gebracht worden. Auf diese Weise hätte sie fundierte Arbeiten in der Tradition von Karl Löwith weiterführen können, in denen - wie sie selbst an führt - gezeigt wird, dass z. B. Heideggers "Freiheit zum Tode" mit einem männlich-heroischen Kriegerideal verbunden ist. Aber Susanne Lettow betrachtet "Sein und Zeit" zu sehr durch die Brille von Althusser und Bourdieu, statt sich selbst eine eigenständige Lektüre zu erarbeiten. So ist ihr feministischer Anschluss an Heidegger von Althussers "Arbeit an den Phantasmen der Philosophie ... die Anordnung der Instanzen des philosophischen Unbewussten zu ändern" geprägt und nicht von selbstständig erarbeiteten Analysen. Konkret heißt das: Ihre "konnotative Methode" hat die Funktion, u. a. Heideggers Sorge- und Verfallenskonzeption von Phantasmen der Ursprungs- und Weiblichkeitskonzeptionen zu befreien. Denn dann wären sie bereinigt und frau könnte in feministischer Hinsicht an sie anknüpfen.

Titelbild

Susanne Lettow: Die Macht der Sorge. Die philosophische Artikulation von Geschlechterverhältnissen in Heideggers "Sein und Zeit".
Edition Diskord, Tübingen 2001.
224 Seiten, 16,40 EUR.
ISBN-10: 3892957053

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