Szenen einer Familie

Ingrid Nolls neuer Roman "Rabenbrüder"

Von Mechthilde VahsenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mechthilde Vahsen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Man muss sie nicht mehr vorstellen, die Krimiautorin Ingrid Noll. Sie ist bekannt durch Bücher wie "Der Hahn ist tot" oder "Die Apothekerin". Auch in ihrem neuen Roman gibt es Leichen, mit dem autoritären Vater des ungleichen Bruderpaares Paul und Achim fängt das Sterben an. Es bleibt aber fast nebensächlich, auch wenn die Spannung auf den letzten Seiten wächst, weil man dann doch wissen will, ob der Verdächtige es getan hat oder nicht. Die kriminalistische Spannung ist dabei auch diejenige, die den Roman aus der Oberflächlichkeit rettet. Denn die erste Hälfte zieht sich in die Länge. Wir lernen die Hauptfiguren kennen: Anwalt Paul, verheiratet mit Annette, hat ein Verhältnis mit Olga, der Frau seines Freundes Markus. Markus und Olga haben sich getrennt, Markus erwartet ein Kind mit Krystyna. Annette erfährt zufällig von der Affäre, schläft zwischendurch mit Achim, dem jüngeren Bruder von Paul, der sein Geld als Autoverkäufer verdient. Schließlich ist da noch die Mutter von Paul und Achim. Während der ersten Trauertage nach dem Tod des Vaters und Ehemanns kreuzen sich Lügen, Intrigen, Affären und alte Konflikte. Annette, nach einem durch Paul verursachten Unfall durch eine Halskrause und einen Gipsarm gehandicapt, versucht ihre Ehe zu retten und Paul in dieser schwierigen Zeit beizustehen.

Was der Roman vermissen lässt, ist der witzige und ironisch gebrochene Gestus, den andere Bücher der Verfasserin aufweisen. Auch das Ödipus-Motiv läuft etwas ins Leere, wobei insgesamt die psychologische Zeichnung der Figuren eher blass ausfällt und nicht überzeugt. Vieles ist zu offensichtlich dargestellt, Paul, ein Anwalt ohne innere Motivation und hin- und hergerissen zwischen der Gemütlichkeit der langjährigen Ehe und den kulinarischen und leidenschaftlichen Genüssen bei seiner Geliebten, langweilt aufgrund seiner Monotonie.

Dieser Roman unterhält nicht so gekonnt wie gewohnt, der Stil ist zu sachlich gehalten, die Figuren bleiben zweidimensional, es fehlt über weite Strecken Spannung.

Kein Bild

Ingrid Noll: Rabenbrüder. Roman.
Diogenes Verlag, Zürich 2003.
280 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3257861036

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch