Generation Trabi

Jana Hensel über die Aufstiegskinder aus dem Nirgendwo

Von Melanie HoltzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Melanie Holtz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zauberland ist abgebrannt: Die DDR gibt es nicht mehr. Mit der Mauer verschwanden Erich Honecker und Wladimir Lenin aus den Klassenzimmern und jeder musste sich die Pausenmilch plötzlich selber abholen. FDJler und Junge Pioniere hatten keinen Grund mehr für ihre wöchentlichen Treffen, Fidschis, Puffreis und die Pop-Gymnastik bekamen einfach neue Namen. Zurück blieb eine Generation ohne Vergangenheit, findet zumindest Jana Hensel und schreibt darüber ihr Buch "Zonenkinder".

Auf der Suche nach ihrer Herkunft reiht die 1976 geborene Leipzigerin trübsinnig alle auffindbaren Kindheitserinnerungen aneinander. "Über unsere Kindheit", "Über unsere Eltern", "Über unsere Erziehung" nennt Jana Hensel die Kapitel, oh schönes, warmes Wir-Gefühl, und erhebt ihre Stimme stellvertretend für die Generation Trabi, die "ein bißchen" ihr Gesicht verlor und nun Golf fährt.

Doch über die Eigenheiten dieser Generation, die die junge Autorin da kreiert, erfährt der Leser nur wenig. Wie eine Aneinanderreihung von wendebedingten Umbenennungen liest sich der Text, und wer hofft, die im Titel angekündigten Zonenkinder kennenzulernen, erwartet zu viel von der jungen Autorin. Eine Tragik dieser Generation, auf die im Klappentext und Kapitel für Kapitel erneut angespielt wird, erahnt der Leser allein durch den immerfort klagenden Unterton, ein melancholisches Moll im Hintergrund. Die Suche nach dem Grund dieser Stimmung verläuft jedoch erfolglos. Offensichtlich hat auch Jana Hensel noch nichts Spezielles gefunden.

"Die Dinge hießen einfach nicht mehr danach, was sie waren." Diese äußerst rätselhaft formulierte Feststellung scheint das Thema des Buches zu sein, ziert sie ja schließlich unübersehbar groß den Schutzumschlag des Buches, seinerseits in Material und Farbwahl äußerst bemüht um Nachstellung eines DDR-Produktes. Als alleiniges Merkmal der Zonenkinder kann dieser Umstand aber nicht gelten. "Raider heißt jetzt Twix", weiß der Mittzwanziger-Wessi und erinnert sich schmerzhaft an die Mode der 80er Jahre. Auch im Westen gab es mal Nicki-Pullis, liebe Frau Hensel. Wer nach Jahren wieder nach Hause fährt, bemerkt zum Teil gravierende Veränderungen im Stadtbild und gestörte Kommunikation zwischen Eltern und Kindern ist weltweit die beliebteste Begründung für den Gang zum Psychiater.

Die Kapitel schleppen sich dahin, ohne inneren Zusammenhang, ohne Handlung. Mit ihnen schleppt sich auch der Leser, an die Hoffnung geklammert, doch noch eine Kernaussage, einen Grund für dieses Buch zu finden. Es gibt keine Figur, an deren Fersen man sich heften könnte, um den Weg in eine unbekannte Vergangenheit zu finden. Einzelne Erinnerungsfetzen findet der Leser, verbunden durch den klagenden Unterton. Fast möchte man sich in Mitleidtränen ergießen, ohne wirklich zu verstehen, was sie denn so Schreckliches erlebt hat, diese Frau, da stolpert man erstaunt und vielleicht ein wenig entsetzt über Begriffe wie "Westeltern" und "Osteltern".

Ein Zonenkind klagt an. Undistanziert und völlig ziellos fallen Klischees, Verurteilungen und Vorwürfe, die nicht zuzuordnen sind. Was will Jana Hensel denn? Die Mauer wieder aufbauen? Grenzen verwischen? Oder vielleicht am Ende sagen, dass doch alle gleich sind?

Für ein Tagebuch ist der Text zu gesichtslos, für einen Roman zu handlungsarm, für ein Sachbuch zu subjektiv und emotional. Ein nicht gerade aufschlussreiches Debüt.

Titelbild

Jana Hensel: Zonenkinder.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002.
172 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 349802972X

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