Thomas Mann zum Gebrauch

49 überflüssige Fragen und Antworten zu Thomas Mann und ein Literatur-Kalender

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Gesprächsrunden bei "Abendgesellschaften und Familienfeiern", bei denen Fragen wie "Warum sind Thomas Manns Werke so dick?", "War Thomas Mann typisch deutsch?" oder "War Thomas Mann homosexuell?" gestellt werden, sollte man tunlichst meiden. Wer so fragt, ist wohl von einer gewissen "Mannomania" erfasst, aber es steht zu befürchten, dass tatsächliche Leseerfarungen mit Thomas Mann nur sehr beschränkt vorhanden sind. Halbbildung und ein gewisses Renommieren mit derselben sind eher zu erwarten. Aber genau für solche Gesprächsrunden möchte Thomas Klugkist seine "49 Fragen und Antworten zu Thomas Mann" zur Verfügung stellen. Als eine Art "Dienstleistungsunternehmen" versteht der Autor sein Unterfangen, "dem Leser kurzerhand" und "möglichst unterhaltsam" Bereiche zugänglich zu machen, die ansonsten "als heilige Bezirke der Wissenschaft dem langsamen Vergessen anheimfallen."

49 Fragen also, zu deren Beantwortung der Autor sein gesammeltes Thomas-Mann-Wissen flott und "ohne Umstände" aufbereitet. Schon die Zahl 49: von "mathematischen Symmetrien und Entsprechungen" im Werk Thomas Manns ist die Rede, "Zahlenmystik" raunt es geheimnisvoll. "Gerade die sieben kehrte immer wieder", sieben mal sieben Kapitel im Doktor Faustus ... Es ist dies aber auch der typische Aufklärungsgehalt der 49 Antworten, die dieses Dienstleistungsunternehmen bietet: es taugt zum effektvollen scheinklugen Mitreden, doch wirkliche Aufklärung bietet es kaum.

Die 49 Fragen biedern sich typischen Mann-Klischees an, die über Person, Leben und Werk im Umlauf sind. Sie liefern Rechtfertigung für Klischeekitsch nach dem Motto: "Ich darf doch wohl mal fragen!" War Thomas Mann homosexuell? War er ein guter Familienvater? Ist er noch zeitgemäß? War er Freudianer? War er ein Genie? War er dekadent? Solcherart Fragen zur Person Thomas Mann beantwortet der Autor zumeist mit dem Werk. Durchaus belesen argumentiert er mit den Figuren aus Thomas Manns Werken, und nicht immer wird klar, ob er nun Thomas Mann meint oder doch ,nur' Tonio Kröger, Rudi Schwertfeger oder Pribislav Hippe. Praktischerweise sind alle erwähnten Figuren aus Manns Œuvre in einem Anhang verzeichnet und kurz charakterisiert.

Manch andere Antworten sind in ihrem Bemühen, diese Werke den Lesern anzupreisen, etwas übereifrig und flapsig. In der Antwort auf die Frage, ob Thomas Mann größenwahnsinnig war, veranschaulicht der Verfasser sein "Nein. Aber ..." an einem aktuellen Vergleich: "Was eine Britney Spears für die Teenys ist und ein Michael Schuhmacher für die Autofans, das ist Thomas Mann für breite Schichten des Bürgertums." Die Antwort auf die Frage "War sich TM überhaupt all dessen bewußt, was man heute aus seinen Werken herausliest?" lautet zunächst zutreffend: "Nein. Wenn dem so wäre, sähen seine Werke mathematischen Gleichungen wohl ähnlicher als dem Leben." Wenn dann aber in der Ausführung dieses Gedankens das Verhältnis des Schriftstellers zu seinen Lesern als ein Kundenverhältnis beschrieben wird und das von Thomas Mann meisterhaft beherrschte Stilmittel der Ironie als kundenfreundlicher "Trick" benannt wird, ist die Grenze zur Trivialisierung längst überschritten. Solch eine ärgerliche Dummheit wird auch von kenntnisreichen Ausführungen in anderen Antworten nicht aufgewogen. Viel zu selten traut sich der Autor ein Urteil zu wie bei der Beantwortung der Frage. "War Thomas Mann verklemmt?" "Auf eine gewisse Weise schon", leitet der Autor seine Antwort ein und kommt schließlich zu einem bemerkenswerten Urteil: "Kein Vertreter der deutschen Literatur - auch Heinrich Mann oder Frank Wedekind nicht - verdient so uneingeschränkt den Titel eines erotischen Autors wie der bürgerliche Künstler Thomas Mann." Da hätte man dann gerne etwas mehr erfahren ... Fazit: "Wer hohe Rendite erzielen möchte, sollte schon etwas mehr anlegen", heißt es an einer Stelle. Wir fügen hinzu: ... als für dieses Buch!

Wohltuender dagegen ein Kalender, den der S. Fischer Verlag nach dem Vorbild eines seit Jahren stilbildenden Konkurrenzunternehmens allen Mann-Freunden für das Jahr 2004 zur Verfügung stellt. Weil für jeden Monat zwei Kalenderblätter zur Betrachtung angeboten werden, gibt's 24 mal Gelegenheit, Thomas Mann zu entdecken.

Titelbild

Thomas Klugkist: 49 Fragen und Antworten zu Thomas Mann.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2003.
318 Seiten, 18,90 EUR.
ISBN-10: 3100422198

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Kein Bild

Thomas Mann Kalender 2004.
S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2003.
26 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3100485203

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch