Schwungvolles Roadmovie

Axel Marquardts Roman "Anselm im Glück"

Von Dorothea HansRSS-Newsfeed neuer Artikel von Dorothea Hans

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ein strahlender Stern am Himmel der literarischen Hochkomik." Mit diesem Satz wirbt der Verlag für Axel Marquardts ersten Roman "Anselm im Glück". Er nimmt uns in diesem Roman mit auf eine wendungs- und fintenreiche Flucht, lässt ein rasantes Roadmovie vor unseren Augen entstehen. Ausgangspunkt ist eine heruntergekommene Hafen-Spelunke nahe Hamburg, das "Kap". Hier ist Anselm Feyrig, ein abgebrannter Typ im besten Mannesalter, seit sechs Jahren allabendlicher Stammgast. Er ist Chronist, Biograph und Drehbuchautor, dessen größte Leistung allerdings im Erschwindeln von Krediten liegt. Wir lernen Anselm kennen, als der aufgetürmte Berg von Schulden über ihm zusammenzubrechen droht. Schließlich bleibt ihm nur noch die Flucht vor der Sparkasse, aber vor allem vor einem professionellen Schuldeneintreiber.

In Brüssel erhofft sich Anselm seine Rettung. Seine dort lebenden Freunde ließen ihm ein Fax zukommen, in dem die Zusage eines Senders zum weiteren Entwurf ihres gemeinsam erdachten Drehbuchs Anselm auf das große Geld hoffen lässt. Doch kaum ist er angekommen, muss er feststellen, dass er von seinen Freunden verladen wurde. Sie sind urplötzlich verzogen, nur ein Bechstein-Flügel von 1915 ziert die leeren Räume. Als Anselm den Flügel an einen Hehler verschachert, ihn aber versehentlich den von den Eigentümern beauftragten Spediteuren aushändigt, erweitert sich der Kreis derer, die Anselm an den Kragen wollen, ein weiteres Mal. Anselms Weg ist kurvenreich und voller Schlaglöcher, geht stetig auf und ab, er stolpert von einer Katastrophe in die nächste, und beweist dabei extraordinäre Stehaufmännchenqualitäten. Er rennt seinem Glück ständig hinterher, wird aber von einer Pechsträhne verfolgt.

Die kuriose Flucht führt ihn nach Frankreich, Norditalien, Monte Carlo und nach Sylt. Glücks- und Pechsträhnen wechseln sich in schwindelerregendem Tempo ab, Anselm wird Millionär und landet kurz darauf im Gefängnis - und nicht nur einmal steht er kurz davor, sein Leben zu verlieren. Ach ja, ganz nebenbei lernt er einen Dichter kennen, den er wegen eines Terminproblems bei einer Lesung vor zwölf Besuchern doubelt - die Verse "Des Morgens, wenn ich früh aufsteh / dann tut mir meine Birne weh", haben es ihm besonders angetan.

Anselm ist Held, Pechvogel und Glückpilz in einem. Genau hier liegt die Unstimmigkeit des Romans. Wie kann ein so gewitzter und gewiefter Betrüger es selbst erst als allerletzter merken, wenn er von den Anderen übers Ohr gehauen wird? Offenbar hat er nicht nur die Qualitäten eines Stehaufmännchen, sondern vor allem auch die zweifelhaften eines absoluten Trottels. So wird sein Charakter mit jeder weiteren Verstrickung in ein neues Missgeschick immer unglaubwürdiger. Der "strahlende Stern am Himmel der literarischen Hochkomik" entpuppt sich als ein Roman, dem der Leser nur ein mühseliges Lächeln abgewinnen kann, attraktiv ist er nur durch seine Form eines schwungvollen Roadmovies.

Titelbild

Axel Marquardt: Anselm im Glück. Roman.
Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Sieseby/Thumby 2003.
192 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 386150510X

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