Charakterwandel

"Herrenbesuch" von Bjørn Erik Sass ist ein Roman für Zwischendurch

Von Henrik HanßenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Henrik Hanßen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die beiden Hauptpersonen Kurt und Jens in Bjørn Erik Sass' erstem Roman sind noch nicht sehr weit für ihr Alter von 26 Jahren und fiebern deshalb auch noch immer dem Ende ihrer Jungfräulichkeit entgegen. Um ihre Situation zu ändern, ziehen sie vom Land in eine Kieler WG. Und das ist dann auch schon der Plot von "Herrenbesuch".

Die Handlung ist entsprechend unspektakulär. Das Einzige, was den Roman ausmacht, sind die seltsamen Hauptcharaktere. Der Student Kurt, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, spricht sich beispielsweise jeden Donnerstag bei seiner Homöopathin Frauke aus, betreibt regelmäßig Yoga, bekommt von Techno-Musik Magenschmerzen und von Wein Durchfall. Nicht ganz so weinerlich und nervtötend, aber dennoch merkwürdig ist Jens. Er interessiert sich viel mehr für handwerkliche als spirituelle Dinge und schraubt demnach lieber an seinem 76er Ford Taunus herum, für den er sogar ins Allgäu fährt, nur um originale Teile zu erwerben.

Eine große Zahl solcher Details aus dem Leben der beiden werden in der Geschichte beschrieben, nur ist das leider schon alles, denn besonders viel Handlung enthält das Werk nicht. Rückblicke auf Kurts Kindheit wechseln sich mit erfolglosen Verabredungen ab, bis endlich eine Wende eintritt. Jens lernt plötzlich Evelyn kennen und erlebt mit ihr seine ersten sexuellen Erfahrungen. Kurt kommt mit Ellen zusammen, erreicht aber nicht das langersehnte Ziel; es lässt sich nur ein Charakterwandel erahnen.

Das Ende erfolgt also sehr rasch, ist aber nicht unerwartet; man freut sich vielmehr, dass in dem sonst handlungsarmen Roman überhaupt mal etwas passiert.

Auch stellt sich während des Lesens ein Wiedererkennungseffekt ein, da das Thema von Sass' Roman heutzutage schon in vielen Werken breitgetreten wurde. Die Idee, dass eigentlich hoffnungslose Fälle versuchen, eine Frau kennen zu lernen, ist längst nicht mehr neu.

Hinzu kommt, dass "Herrenbesuch" auf Kurts niedrigem Niveau erzählt wird, was den Roman zwar leicht lesbar macht, aber deshalb noch lange nicht nach jedermanns Geschmack ist, denn schnell kann der naive Erzählstil mit falscher Grammatik störend wirken.

Für manche Jugendliche oder Junggebliebene ist "Herrenbesuch" sicherlich unterhaltend, Elemente, die dieses Werk zu etwas Besonderem seiner Kategorie machen fehlen jedoch. Sass' Debütroman ist leichte Literatur, die man schnell mal zwischendurch lesen kann - man kann, muss aber nicht.

Titelbild

Björn-Erik Sass: Herrenbesuch. Roman.
Verlag Antje Kunstmann, München 2003.
160 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3888973201

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