Vom Hörsaal auf die Hühnerfarm

Henning Mankells Roman "Das Auge des Leoparden"

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Wenn dies die beste aller Welten ist, wie müssen dann erst die anderen sein?" Dieses Zitat aus Voltaires "Candide" hatte Henning Mankell seinem Roman "Der Chronist der Winde" (2000) voran gestellt, und es trifft auch die Handlung seines nun erschienenen vierten Afrika-Romans. Im Mittelpunkt steht der aus Nordschweden stammende Hans Olofson, der 1969 sein Jurastudium in Uppsala unterbricht, um für einige Wochen nach Afrika zu gehen.

Doch aus dem geplanten Kurz-Trip werden mehr als zwanzig aufregende Jahre, in denen sich der Schwede als Betreiber einer Hühnerfarm in Sambia über Wasser zu halten versucht.

Mankell, der mit seinen Krimis um den schon legendären Kommissar Wallander Millionen-Auflagen erreicht hat, erzählt abwechselnd von Olofsons Jugend an der Seite seines depressiven Vaters und von seinen Problemen in Afrika. Der in Schweden und Mosambique lebende Autor widmet sich wie in seinen ähnlich inszenierten Vorgängerwerken wieder der riesigen Kluft zwischen europäischer und afrikanischer Kultur und deren Auswirkungen auf den Alltag.

Obwohl Olofson seine Arbeiter auf der Farm fair behandelt und besser bezahlt als die "Konkurrenz", lebt er in ständiger Angst. Sein Schäferhund wird bestialisch getötet, den Kopf findet er mit herausgetrennter Zunge; fortan schläft er nur noch mit einem Revolver unter dem Kopfkissen. Bei der Lektüre fragt man sich händeringend, was den paradigmatischen "Gut-Mensch" Olofson angetrieben hat. Trotz permanenter Todesangst, trotz diverser Massaker, denen seine weißen Nachbarn zum Opfer fallen, wird er nicht müde, für die Zivilisation zu kämpfen. Er will Häuser und Schulen für die schwarze Bevölkerung errichten. Das letzte Bild des Romans zeigt den ernüchterten und gescheiterten Olofson, wie er im Flugzeug sitzt, auf den Start wartet und einen wehmütigen Blick auf einen "einsamen Afrikaner" wirft.

Die Figur des Hans Olofson ist Mankell allzu tugendhaft geraten, er ist ein von aufrichtigem Humanismus inspiriertes Kunstprodukt, ein "Held" par excellence, aber kein Protagonist, mit dem sich der Leser identifizieren kann. Wie schon bei einigen schwächeren Wallander-Krimis wiederholen sich auch in Henning Mankells Afrika-Romanen die Motive, die Schauplätze, die Charaktere und die simplifizierende Moral, nach der die Schwarzen gut und die Weißen böse sind.

Die Figur des Hans Olofson ist Mankell allzu tugendhaft geraten, er ist ein von aufrichtigem Humanismus inspiriertes Kunstprodukt, ein "Held" par excellence, aber kein Protagonist, mit dem sich der Leser identifizieren kann. Wie schon bei einigen schwächeren Wallander-Krimis wiederholen sich auch in Henning Mankells Afrika-Romanen die Motive, die Schauplätze, die Charaktere und die simplifizierende Moral, nach der die Schwarzen gut und die Weißen böse sind. Selbst der private, uneigennützige Helfer Olofson wird - wie auch sämtliche professionellen Entwicklungshelfer - als "feindlicher Eindringling" betrachtet.

Mankells geschickte Romandramturgie kann nicht darüber hinweg täuschen, dass man nach der Lektüre glaubt, dies alles schon einmal gelesen zu haben. Große Literatur lässt sich nicht aus einem gut sortierten Ideen-Stehsatz arrangieren.

Titelbild

Henning Mankell: Das Auge des Leoparden. Roman.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Paul Berf.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2004.
379 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-10: 3552052968

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