Kampf gegen den Dilettantismus

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Eine gespenstische Szene: Im Allerheiligsten des Kunsttempels verbarrikadiert sich der Altmeister mit seinem Schüler Antonio. Draußen haben sich dilettierende Künstler mit Literaten verbrüdert, um den Tempel zu stürmen. Schon ist das Schloß der Eisenpforte erbrochen, noch sind vier Tore zu sprengen, dann werden die Räume der Kunst erobert sein. Drinnen aber unterweist der beredte Meister seinen stummen Schüler in der Geschichte der Kunst, die von ihren Anfängen bis heute Kampf gewesen sei zwischen Inspiration und Könnerschaft einerseits und Möchtegern und Unvermögen andererseits.

Robert Gernhardts Buch „Der letzte Zeichner“ versammelt seine kunsttheoretischen Arbeiten aus drei Jahrzehnten. Untrügliches Kriterium für Kunst war seit jeher der kritische Blick des Betrachters, der Vergleich von „Inbild“ und „Vorbild“. Zwei linke Füße trüben den Eindruck von Tischbeins Gemälde „Goethe vor den Ruinen der Campagna di Roma“ (1786 – 1788). Goethe selbst verkörperte die unheilige Allianz des Literaten mit dem Dilettanten. 2.700 Handzeichnungen hat der Olympier hinterlassen, doch spät erst gelangte er zur Einsicht, dass er zum bildenden Künstler nicht genug Talent hatte.

Unter dem Einfluß Wackenroders und Schopenhauers sind die Regeln der Kunst den Regeln der Kunstbetrachtung gewichen. Und mit dem Verfall der Künste seit dem 17. Jahrhundert ist auch die Kunstkritik auf den Hund gekommen. Je nichtssagender die Bilder, desto beredter ihre Interpreten. Die letzten Vertreter von Hochkunst und Handwerk seien, so Gernhardt, die „freistreunenden Zeichner“ aus dem Umfeld der Neuen Frankfurter Schule – Illustratoren, Cartoonisten, Comic- und Witzezeichner. Sie seien „seit geraumer Zeit dabei, den Schwierigkeitsgrad ihrer Arbeit in bezug auf Motiv und Darstellung stetig zu erhöhen“, ja, es hätten „sich bereits regelrechte Schulen gebildet“. Der Autor spricht hier pro domo: er meint künstlerische Arbeiten von F. W. Bernstein, Chlodwig Poth, Hans Traxler und Bernd Pfarr. Er wirbt für Kurt Halbritter, Volker Kriegel, Michael Sowa. Er polemisiert gegen Beuys und das akademisch-feuilletonistische Beuysgeschwätz eines Otto von Simson, das zur Theologie tendiere, mit nachprüfbarer Kunstbetrachtung aber nichts mehr zu tun habe.

Titelbild

Robert Gernhardt: Der letzte Zeichner. Aufsätze zu Kunst und Karikatur.
Gerd Haffmans bei Zweitausendeins, Zürich 1999.
288 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3251004417

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