Kein Jenseits von Gender

Ein Sammelband zur Bamberger Tagung über die Strukturierung von Wissen und die symbolische Ordnung der Geschlechter

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zweifellos war es "ebenso neu als kühn", als mit der Universität Zürich die erste Hochschule des deutschsprachigen Raums im Jahre 1864 Frauen offiziell ein Studium ermöglichte. Die ersten Abschlüsse wurden vier Jahre später gefeiert und weitere sechs Jahre später durfte sich Marie Vögtlin als erste Frau mit einem Doktorhut schmücken. In Bayern sollten von da an allerdings noch weitere drei Jahrzehnte ins Land streichen, bis Prinzregent Luitpold am im September 1903 per Dekret "vom Wintersemester 1903 /1904 an Damen, welche das Reifezeugnis eines deutschen humanistischen Gymnasiums oder eines Realgymnasiums besitzen" zum Studium an Bayerischen Universitäten zuließ.

2003 konnte die Universität Bamberg folglich auf "100 Jahre akademische Bildung von Frauen in Bayern" zurückblicken und dieses Jubiläum feierlich begehen. Eröffnet wurden die Festlichkeiten durch eine von den Frauenbeauftragten der Universität initiierte Tagung, welche "[d]ie Strukturierung von Wissen und die symbolische Ordnung der Geschlechter" thematisierte. Die Vorträge liegen nun in einem von Marianne Heimbach-Steins, Bärbel Kerkhoff-Hader, Eleonore Ploil und Ines Wenrich herausgegebenen Sammelband vor.

Das Buch untergliedert sich in die drei Teile "Genderaspekte in Gegenwartskultur und Gesellschaftspolitik", "Die Geschlechterkategorie in der Kulturgeschichte" sowie einem retrospektiven Teil, der auf "100 Jahre Frauenstudium in Bayern" zurückblickt. Beschlossen wird der Band mit Ina Schaberts optimistischem Ausblick auf das Frauenstudium an Bayrischen Universitäten in weiteren einhundert Jahren. Neben so profilierten Wissenschaftlerinnen wie etwa Gudrun-Axeli Knapp und Marie-Luise Angerer kommen auch eine Reihe von Nachwuchswissenschaflern zu Wort, die meist den Verlauf und die Ergebnisse der von ihnen während der Tagung geleiteten Workshops vorstellen.

Während Gudrun-Axeli Knapp mit ihrem erstmals im Jahre 2001 publizierten Aufsatz "zur Debatte um einen Bedeutungsverlust der Kategorie Gender" vertreten ist, in dem sie nicht nur eine weithin erhellende Rekonstruktion der "Thesen vom Bedeutungsverlust der Kategorie 'Geschlecht'" vorlegt, sondern auch Ursula Paseros Theorem vom "Geltungsverlust" der Geschlechterdifferenz einer gründlichen Kritik unterzieht, legt Marie-Luise Angerer dar, dass es "kein Jenseits von Gender" gibt. Auch online, so die Kölner Medienwissenschaftlerin werden Geschlechtsidentitäten nicht überschritten, "trotz Gender-Dehnungen und -Veränderungen, trotz hysterischen Queerseins, trotz Gender-Switching". Auch "Crossing" sei kein "Hinausschreiten aus Weiblichkeit/Männlichkeit" sondern ein "Durchqueren von Äquivalenzketten". Denn sexuelle Differenz sei immer und notwendigerweise innerhalb der symbolischen Ordnung zu verorten. Jenseits dieser existiere weder männlich noch weiblich, sondern nur "das Sexuelle".

Der Aufbau des Bandes folgt nicht nur demjenigen der Tagung, sondern konvergiert auch mit dem "gesellschafts- und kulturwissenschaftlichen Profil der Universität Bamberg", wie Marianne Heimbach-Steins im Vorwort erklärt. An Gender Studies und Geschlechterforschung interessierte Abiturienten, die ein Studium in Bamberg ins Auge fassen, können sich daher anhand des Buches ein erstes Bild davon machen, was sie bei einer Studienaufnahme in der unterfränkischen Kleinstadt erwartet. Überhaupt dürfte der Band - sieht man einmal von den Beträgen Angerers, Knapps und ein oder zwei weiteren Autoren ab - insgesamt für Studierende wohl mehr zu bieten haben, als ausgewiesenen Gender-Forschern.

Titelbild

Marianne Heimbach-Steins / Bärbel Kerkhoff-Hader / Eleonore Ploil / Ines Weinrich (Hg.): Die Strukturierung von Wissen und die symbolische Ordnung der Geschlechter. Gender-Tagung Bamberg 2003.
LIT Verlag, Münster 2004.
195 Seiten, 15,90 EUR.
ISBN-10: 3825872513

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