Autorschaft als Suchbild

Nathalie Amstutz untersucht Inszenierung und Reflexion von Autorschaft bei Musil, Bachmann und Mayröcker

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In ihrer Untersuchung der Inszenierung und Reflexion von Autorschaft bei Robert Musil, Ingeborg Bachmann und Friederike Mayröcker geht die Solothurner Dozentin für Kommunikation und Sprache Nathalie Amstutz der Frage nach, "in wiefern literarische Texte selbst das Verhältnis von Autorschaft und Werk gestalten" und somit eine Auseinandersetzung mit Autorschaft "zu lesen geben". Die Autorin geht von der Hypothese aus, dass literarische Texte sich "im Zitieren und Umwandeln traditioneller Autorschaftsvorstellungen" explizit oder implizit auf Autorschaftsdiskurse beziehen. Die von ihr vorgeschlagene Beschreibung von Autorschaftsfiguren will Autorschaft nicht "als hermeneutischen Sinnhorizont erschliessen", sondern die "Bedingungen und Formen ihrer Konzeptualisierung" offen legen.

Während Amstutz von Musil nur die kaum mehr als dreißig Seiten umfassende Erzählung "Tonka" aus dem Band "Drei Frauen" - und eher beiläufig einen kurzen Abschnitt aus dem Roman-Fragment "Der Mann ohne Eigenschaften" - heranzieht, in der Autorschaft als "Suchbild" angelegt sei, erörtert sie die Autorschaftskonzepte Ingeborg Bachmanns ausführlicher anhand der frühen Erzählung "Das dreißigste Jahr", Bachmanns Dankesrede anlässlich der Verleihung des Georg Büchner-Preises "Kein Ort für Zufälle" und dem Nachlass-Fragment "Das Buch Franza" aus dem umfangreichen "Todesarten"-Projekt. Lasse Musils Roman-Figur Ulrich dem "Konzept der Eigenschaftslosigkeit" gemäß die Frage nach Werk und "Spurensetzung" einer "potentielle Autorschaftsfigur" offen, so entwerfe Bachmann den Schluss der Erzählung "Das dreißigste Jahr" als deren "Auferstehung". Im Gegensatz zur Auferstehung der männlichen Figur dieser Erzählung sterbe die weibliche Protagonistin in den - wie Amstutz sie nennt - "Franza-Fragmenten" an der "Auslöschung" ihrer Autorschaft. "Prägender" sei in diesen Fragmenten allerdings das "Stimmenproblem". Denn das "Pathos der Stimme" sei auch immer das "Pathos nicht gehörter Stimme". Die Büchnerpreis-Rede realisiere hingegen einen Text, der die "Abwesenheit" der Autorstimme konstruiere.

Mayröckers Prosa-Texte, wie etwa "Die Abschiede" oder "Reise durch die Nacht" radikalisieren Amstutz zufolge die Frage nach der Autorschaft weiter. Sie suchen nicht mehr nach einer Personalisierung, sondern führen eine Bewegung in den Text ein, die den Ursprung der Rede "unbehaftet" lasse, wie sie mit einem etwas merkwürdigen Terminus sagt. Bei Mayröcker werde das "Konzept der Herrschaft über einen Text" zugunsten einer "unüberschaubaren nur zeitweiligen Perspektivierung" aufgelöst, die "keinen Regeln" mehr gehorche. In Mayröckers Texten sei Autorschaft keine "in der Verkleidung einer Erzählung mit Figuren und deren Entwicklung verborgene" Frage, sondern artikuliere sich in der Frage nach der Herkunft, dem Status und der Professionalität des Schreibens. Diese Befragung möglicher Autorschaft könne als Mangel beschrieben, aber auch als "Hyperautorschaft" gelesen werden.

Titelbild

Nathalie Amstutz: Autorschaftsfiguren. Inszenierung und Reflexion von Autorschaft bei Musil, Bachmann und Mayröcker.
Böhlau Verlag, Köln 2004.
186 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3412175021

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