"Ja! Sehr schön!"

Eine Ausstellung von Suhrkamp Verlag und Frankfurter Bürgerstiftung beschäftigt sich mit dem Verleger Siegfried Unseld - und ehrt ihn

Von Ulrich RüdenauerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulrich Rüdenauer

Dass Siegfried Unseld nicht nur ein leidenschaftlicher Leser und Verleger, sondern auch ein Lebemann war, wird einem vor dem Eingang des schmucken Holzhausenschlösschens ganz plastisch vor Augen geführt: Da steht ein dunkelblauer Jaguar, Jahrgang 1978, das erste Modell, das Unseld sich angeschafft hat und mit dem er jeden Morgen von der Klettenbergstraße zum Suhrkamp Verlag in die Lindenstraße gefahren ist. Das Holzhausenschlösschen liegt genau auf halbem Weg zwischen den beiden Orten. Wir befinden uns in "Unselds Revier", und mit dem Jaguar soll wohl auch ein wenig der Geist des großen, am 28. September 1924 in Ulm geborenen Verlegers heraufbeschworen werden: Es ist, als habe er direkt vor dem Gebäude geparkt - und sei anwesend.

Sein Werk zumindest ist es. Der Suhrkamp Verlag und die Frankfurter Bürgerstiftung ehren den Patriarchen nun mit einer Ausstellung - es geht um seine Bücher, um seine Literatur und natürlich auch um seine Biografie, die einige Brüche aufzuweisen hat. Eine Gruppe um den lang gedienten Lektor und Unseld-Fachmann Raimund Fellinger hat sich durch die Archive geforstet und dabei erstaunlicherweise etliche Exponate zum Vorschein gebracht, die bisher noch nie zu sehen waren: Über 400 Fotografien, Briefe und weitere Dokumente sind in Vitrinen angeordnet und zeichnen Unselds Werdegang vom Lehrling im Aegis-Verlag zum Verleger nach. Ein Leben, das seit 1952 bis zu seinem Tod im Jahr 2002 unverbrüchlich mit Suhrkamp verbunden war. Er hat dieses Haus nicht nur geprägt, sondern als Institution erst erschaffen. Er hat es zu dem gemacht, was es zumindest in den 1960er und 70er Jahren war: ein Tempel bundesdeutscher Kultur. Davon zeugen Fotografien, die Unseld zusammen mit Geistesgrößen aus aller Welt zeigen: Ob Theodor W. Adorno oder Max Frisch, ob Peter Handke oder Jürgen Habermas, ob Louis Begley oder Imre Kertész - er wollte seinen Autoren nicht nur Verleger, sondern auch Freund sein.

Der Ehrgeiz Unselds richtete sich immer auf ein Werk, auf das Ganze, auf Reihen. Er war ein Macher und Planer, der keine Gelegenheit ausließ, Ernst Bloch zu zitieren: "Ins Gelingen verliebt sein und in die Mittel des Gelingens." Sein Aktionismus war notorisch, so dass Max Frisch einmal schrieb: "Wie er mich nervte, wenn er, statt zu wandern und zu schauen, wieder die Idee einer neuen Buchreihe entwickelte." Er tat dies aber zumeist mit Erfolg. Man kann in der Ausstellung durch einen hölzernen "Tunnel" gehen, an dessen Wänden Flachbildschirme eingelassen sind. In ihnen ist die abgefilmte Suhrkamp-Bibliothek im Keller des Unseld'schen Hauses zu sehen, man läuft die über 11.000 Bände quasi stillstehend ab. Im Hintergrund hört man mantrahaft eine Stimme vom Tonband: 13 Stunden müsste man ausharren, wollte man Raimund Fellinger zuhören, wie er die Titel all der von Unseld verlegten Bücher verliest. Das immense Arbeitspensum, das Unseld wahrscheinlich nur selten als Last, meistens als Freude empfand, zeigt sich in einem kleinen Extraraum: Der ist tapeziert mit Notizen, Kalendereintragungen, Verträgen und Briefen, die vom 1. bis zum 12. Juli 1985 über Unselds Schreibtisch wanderten. Dieser Schreibtisch ist natürlich ebenfalls zu sehen.

Neben den sorgfältig ausgewählten Dokumenten, die chronologisch das Leben nachverfolgen, gibt es in der facettenreichen und durchaus um Mythenbildung bemühten Ausstellung noch weitere Installationen, die den Charakter eines der wichtigsten Verleger im 20. Jahrhundert illustrieren. Prägnant sind die energischen Äußerungen Unselds, die das Treppenhaus des Schlösschens zieren: "sehr schön!", "wir verzichten", "später", "ja". Dieses "ja" dürfte der stärkste Impuls im Leben des erfolgreichen Geschäftsmannes und Literaturliebhabers gewesen sein. Er fühlte sich dort, wo er war, genau am rechten Fleck und schien zugleich immer weiterstreben zu wollen. Im FAZ-Fragebogen nach seiner gegenwärtigen Geistesverfassung gefragt, antwortete er einmal: "Neugierde und Ungeduld". Unseld war wohl der letzte Vertreter einer inzwischen historisch gewordenen Art. Bedauerlicherweise hat der heutige Typus des Verlegers meist von der Ungeduld zu viel, von der Neugierde aber zu wenig.

Siegfried Unseld. Der Verleger. Eine Ausstellung des Suhrkamp Verlags im Holzhausenschlösschen Frankfurt am Main. 29. September - 19. Dezember. Geöffnet täglich von 11 bis 15 Uhr (außer am 17. Oktober). Führungen jeweils Freitag, 15 Uhr, und Sonntag, 11 Uhr.