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Robert Levine untersucht Manipulationen von der Tupperparty bis zur Moon-Sekte

Von Sabine KlomfaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sabine Klomfaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wie verkauft man ein Auto, eine Religion oder ein Putzmittel? Robert Levine, Psychologieprofessor aus Kalifornien, analysiert alltägliche und seltene Situationen, bei denen es um eins geht: Die anderen dazu zu bewegen, etwas zu tun, was sie von selbst nicht tun würden. Levine nimmt dabei jedoch weniger die Position des "Verführers" ein, der spezifische Fähigkeiten besitzt und sie auch zu nutzen versteht, sondern der amerikanische Autor versteht sich eher als ein Anwalt der "Betroffenen". Ihm geht es letztlich darum, die Leser über subtile Kniffs und Tricks der Manipulation aufzuklären.

Die menschliche Psyche verbirgt, das weiß man nicht erst seit Levine, eine Reihe von Aspekten, die uns kaum bewusst sind. Dazu gehört zum Beispiel, dass Depressive sich selbst hinsichtlich ihrer Wirkung meist zutreffender einschätzen als "gesunde" Menschen, da letztgenannte zur Selbstüberschätzung neigen. "Anscheinend müssen Depressive auf den Trost selbstwertsteigernder selektiver Blindheit verzichten", folgert Levine. Und die Meinung, dass man selbst meist rational die eigenen Entscheidungen treffe (was man den anderen gar nicht so oft zugestehen mag), ist auch wenig fundiert. Nach Levine glauben die Menschen, dass sie durch objektives Abwägen von Kosten und Nutzen zu Entscheidungen kommen, was aber nicht der Wirklichkeit entspräche. Beispielsweise ist die Wahrnehmung von guten und schlechten Erlebnissen merkwürdig verzerrt: Das Schlechte fällt viel mehr ins Gewicht und überschattet das Gute. Und wer kennt nicht die Situation, in der wir ohne mit der Wimper zu zucken viel Geld für etwas ausgeben, was wir zu einer anderen Zeit niemals täten?

Mit diesem Wissen über das menschliche Verhalten widmet sich Levine dann vor allem Verkaufssituationen: Er analysiert sowohl erfolgreiche Autoverkäufer und Vertreter für überflüssige, überteuerte Dinge als auch die Konzepte von Tupper- und Unterwäschepartys. Ihn interessiert insbesondere das Phänomen von Gruppendruck und -dynamiken, die in der Familie, in Nachbarschaftsverbänden und auch in Weltreligionen entstehen. Dabei nimmt Levine die Rolle des lockeren Erzählers ein, der auch gern mal hinter seine Beispielfiguren zurücktritt und diese im direkten Gespräch erzählen lässt. So erreicht Levine eine große Authentizität für sein Thema, und gleichzeitig ist das Sachbuch (ganz in amerikanischer Tradition) kurzweilig zu lesen. Vielleicht hat Levine da auch direkt das umgesetzt, was er aus seinen Universitätsseminaren kennt: Es macht keinen Spaß, sich mit etwas gezwungen beschäftigen zu müssen, denn das tötet das subjektimmanente Interesse. So konstatiert Levine: "Als Professor kenne ich dieses Szenario nur allzu gut. Bis die Lernenden endlich auf die Universität kommen, ist ihr von innen her kommendes Interesse an Dingen längst durch lebenslange, von außen her kommende Motivierung im Dienste einer direkten Kontrolle untergraben worden. Sie wurden durch so viele Prüfungen und Graduierungen geschoben und gezogen, dass nur noch die Außergewöhnlichsten meine Kurse belegen, weil sie aus Leidenschaft lernen wollen. Es ist ernüchternd, wenn man erkennt, dass der liebste Professor eines jeden Studenten offenbar überhaupt kein Professor ist: Wenn ich Studenten sage, dass die nächste Vorlesung ausfällt, begrüßen sie diese Nachricht mit Freudenrufen und sogar Beifall, die mir nicht einmal nach meinen besten Vorlesungen vergönnt waren."

Insgesamt kann gesagt werden, dass die Menschen besonders in den Situationen anfällig für Manipulationen sind, die ihnen nicht vertraut sind. Klare Wertmaßstäbe helfen, sich nicht einwickeln zu lassen. Wenn jemand nicht weiß, was ein Putzmittel normalerweise kostet, kann diese Person nämlich auch nicht sagen, ob 50 Euro für den "Wunderreiniger" viel oder wenig sind. Vielleicht könnte man auch noch weiter gehen: Ein klares Wissen zu haben von dem, was man will, hilft, differenzierte Antworten oder Handlungsoptionen zu finden. Levine zitiert an dieser Stelle den "berühmten" Psychologen Abraham Maslow: "Für einen Mann, der in seinem Werkzeugkasten nur einen Hammer hat, sieht jedes Problem wie ein Nagel aus."

Utilitaristisch wäre die konsequente Schlussfolgerung, aus dem Buch zu lernen, wie man Manipulationen durchschaut, und gleichzeitig selbst erfolgreich, d. h. subtil "verführt". Der Verführung wohnt ja auch eine kaum zu umgehende Attraktivität inne, da diese sowohl gefährlich als auch fesselnd und verzaubernd ist. Levine stiftet aber nicht dazu an, selbst in die Rolle des Manipulators zu schlüpfen. Seine Botschaft ist nicht moralisch wertsetzend, sondern eher verhalten, aber aufgeklärt reflektierend. So kommt er zu dem Fazit: "Die Herausforderung liegt darin, die Balance zwischen Offenheit und Skepsis zu finden, sich der Welt als kritischer Denker zu nähern, ohne immer gleich das Schlimmste anzunehmen. Wie der Philosoph Jacob Needleman bemerkte, ist es gut, Ihren Geist offenzuhalten, aber nicht so weit, dass Ihr Hirn herausfällt."

Titelbild

Robert Levine: Die große Verführung. Psychologie der Manipulation.
Übersetzt aus dem Englischen von Christa Broermann.
Piper Verlag, München 2003.
382 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-10: 3492045391

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