"Gut sein oder ihr an die Gurgel fahren?"

Franz Jung frühexpressionistisches Erstlingswerk, das "Trottelbuch" von 1912, in einer neuen Liebhaberausgabe

Von Oliver PfohlmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver Pfohlmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Mit "Trottel" bezeichnet man laut Grimm einen geistig unbedeutenden, willensschwachen oder senilen Menschen. Willensschwach und wenig helle mögen die Figuren in Franz Jungs "Trottelbuch" von 1912 sein, unbedeutend sind sie gewiss nicht. Jene Säufer, Raufbolde und mannstollen Weiber, die lieber einander umbringen, als voneinander zu lassen, kannte Jung nur zu gut. Nicht nur aus den Bohemekreisen, in denen er sich von Jugend an bewegte. Selbst Trinker und in eine sadomasochistische Beziehung verstrickt, war auch Jung einer dieser "Trottel".

Wollen die Menschen in seinen Erzählungen doch einmal etwas Schönes sagen, kommen, zu ihrem eigenen Erstaunen, nur Flüche und Schreie aus ihnen heraus. Sie schlagen einander ins Gesicht, ohne zu wissen, ob sie damit nun ihren Hass oder ihre Zuneigung ausdrücken. Einmal heißt es: "Soll ich wieder gut sein, oder ihr an die Gurgel fahren?" Hauptstück der Erzählsammlung ist die Novelle "Die Erlebnisse der Emma Schnalke", in der Jung seine katastrophale erste Ehe verarbeitete. Und das in einer gedrängten, primitivistischen Sprache, die dem Leser wie in rohen Brocken hingeschleudert wird.

Literaturgourmets wie Franz Blei wandten sich damals angewidert ab, die jungen Rabauken um Franz Pfemferts "Aktion" waren von dem neuen "Barbaren" begeistert. Der Leipziger Verlag Faber & Faber hat jetzt Jungs Erstling, eines der Gründungsbücher des Expressionismus, wieder aufgelegt, in einer reich illustrierten Liebhaberausgabe in limitierter Auflage. Volker Pfüllers Lithografien und Zeichnungen mit ihrem dominierenden Rot fügen sich wunderbar in die Erzählungen ein, ein Reigen von raubtierähnlichen Grimassen mit gebleckten Zähnen, hilflos rollenden Augen, von heimtückischen Visagen und wogendem Fleisch. Später, in seiner Autobiografie "Der Weg nach unten" von 1961, fand der Anarchist und ewige Rebell Jung für diesen Menschenschlag die schöne Metapher vom "Torpedokäfer". Dieses fiktive Insekt steuert mit aller Kraft auf sein Ziel zu, verfehlt es, rennt sich den Kopf an - nur um wieder von neuem zu starten.

Titelbild

Franz Jung: Das Trottelbuch. Band 25. Mit 25 farbigen Offsetlithographien von Volker Pfüller.
Faber und Faber Verlag, Leipzig 2004.
104 Seiten, 76,00 EUR.
ISBN-10: 3936618364

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