Dem Autor sei ein Trulala

Der leider nicht immer so schöne Überfluss, Uwe Timm zu Ehren

Von Heike HendersonRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heike Henderson

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Bei Lesern und Kritikern zugleich erfreuen sich Uwe Timms Werke seit langem großer Beliebtheit. Von daher ist es nicht erstaunlich, dass der 65. Geburtstag des Autors Anlass zu gleich zwei Veröffentlichungen gibt: einem Lesebuch ("Die Stimme beim Schreiben", herausgegeben von Martin Hielscher) und dem hier zu besprechenden Band, der 34 Texte zu Leben und Werk des Schriftstellers versammelt. Obwohl die Beiträge von einem regelrechten 'who is who' der Kritik und Literaturwissenschaft stammen - was Rückschlüsse auf die Bedeutung und Wirkung des geehrten Schriftstellers zulässt -, leidet der Band an vielen typischen Problemen einer Festschrift.

Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind die Lesungen und persönlichen Reaktionen genau das, und nur das: persönliche Erfahrungsberichte zu Leben und Werk, die zwar von der Beliebtheit Uwe Timms zeugen, aber wenig Neues bieten. Die meisten Artikel berücksichtigen keine Sekundärliteratur und beinhalten keine Referenzen. Dies wirft die Frage nach der intendierten Leserschaft des Buches auf. Ein ernst zu nehmender Beitrag zur Literaturwissenschaft ist der Band sicher nicht, trotz der vielen Aufsätze von angesehenen Literaturwissenschaftlern und Kritikern, und ob sich das allgemeine Lesepublikum für die doch sehr repetitiven Lesungen und Interpretationsversuche begeistern lassen wird, bleibt abzuwarten. Selbst die Anordnung der versammelten Artikel lässt kein klares Konzept erkennen, weder in Bezug auf Gattung noch Thema.

In Hinblick auf den persönlichen Charakter der meisten Texte ist es nicht erstaunlich, dass das Thema Essen im Allgemeinen und Currywurst im Besonderen (in Anklang an Timms wohl bekanntestes Werk "Die Entdeckung der Currywurst") häufig im Mittelpunkt steht. Trotz unterschiedlicher Perspektiven und Herangehensweisen gibt es doch sehr viele Überschneidungen und Wiederholungen. Besonders die Nacherzählungen der Novelle werden, obwohl sie meist recht kurz gehalten sind, auf Dauer doch sehr langweilig. In einem der besseren Beiträge, einer überarbeiteten Fassung seiner Geburtstagsrede für Uwe Timm zum 60sten, hat das Ludwig Harig auf den Punkt gebracht: "Nichts ist unangenehmer als das Anhörenmüssen nacherzählter Geschichten." Leider haben sich Harigs Kollegen nicht immer an diese Maxime gehalten.

Ein Höhepunkt in dem sonst qualitativ sehr gemischten Werk ist Matteo Gallis kreativer "Bericht" von der italienischen Reise Uwe Timms, "Die Entdeckung des Culatello". Statt die Leser mit halbherzigen Interpretationsversuchen und gut gemeinten, doch letztlich langweiligen Laudatien zu konfrontieren, schreibt Galli einen amüsanten Text über Rezepte, das Essen und die Freuden und Tücken einer Vortragsreise mit Uwe Timm. Diese Art der literarischen Hommage vermag mehr als die meisten anderen hier versammelten Lobpreisungen. So macht Galli, im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen, genau das, worauf sich der Titel "Der schöne Überfluß" bezieht: Er folgt Timms Definition von der Literatur als der privilegierten, selbstreflexiven und oft sehr kunstvollen Variante eines allgemeinen Erzählens. Nein, Literatur ist nicht not-wendig, sie muss nicht geschrieben und gelesen werden - aber wenn diese Literatur von Autoren wie Timm stammt, will sie gelesen werden.

Da das erklärte Ziel dieses Bandes ist, neue Zugänge zum Werk Timms zu eröffnen und zum Lesen und Wiederlesen zu animieren, ist mein Vorschlag der folgende: lieber direkt zu einem der Werke Timms greifen und seine Texte selber lesen - die Inspiration und Anregung wird nicht ausbleiben.

Titelbild

Helge Malchow (Hg.): Der schöne Überfluss. Texte zu Leben und Werk von Uwe Timm.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005.
281 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3462034618

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch