Sehnsucht nach dir

Erich Wolfgang Skwaras leidenschaftlich-verzweifelte Zwischengeschichte "Anruf aus Rom"

Von Saskia SchulteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Saskia Schulte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zwischen Martin und Andrea steht nicht nur der enorme Altersunterschied, der die Liebenden oft als Vater und Tochter erscheinen läßt, zwischen ihnen liegt auch die Distanz Deutschland - Rom. Martin ist bereits in der Ewigen Stadt, Andrea soll nachkommen. Die Beziehung ist am Zerbrechen. Martin will Andrea anrufen, ein Zeitpunkt ist ausgemacht. Doch Martin, der Sehnsucht nach Andrea hat, lernt die Ärztin Daniela kennen. Sie charakterisiert sich in einem einzigen Satz: "Ich bin fünfunddreißig. Jetzt wissen Sie alles."

Martin vergißt den "Anruf aus Rom". Eine neue Geschichte ist entstanden, die zwischen Martin und Daniela - eine Zwischengeschichte? "Und nochmals: kein Vergleichen. Es gab kein erstes und kein letztes Mal. Es gab auch keine Zwischengeschichten". Martin, der Ich-Erzähler, liebt in dieser Nacht Daniela. Und er liebt Andrea. Und seine von ihm getrennte Frau Gabriele. Und Maria - ein in Stein gehauenes Friedhofsbildnis einer jungen Frau. Martin steht nicht nur zwischen den Frauen, sondern auch zwischen Leben und Tod: Er versorgt sich mit Schlaftabletten, nur um die Möglichkeit zu haben, sich umzubringen. Dieser Schwebezustand beruhigt ihn.

Erich Wolfgang Skwaras "Zwischengeschichte", so der Untertitel, ist angesiedelt zwischen einem Mann und den Frauen, zwischen Nähe und Distanz, Jugend und Alter, Leben und Tod, zwischen dem Anfang und dem Ende der Liebe, zwischen der Liebe zu Lebenden und der Liebe zu Toten. Doch "Anruf aus Rom" ist nicht nur in diesem Sinne eine "Zwischengeschichte", sie ist auch eine Geschichte zwischen zwei anderen Geschichten - zwei vielleicht bedeutenderen Geschichten des Autors. 1998 veröffentlichte Skwara (geboren 1948) die Erzählung "Versuch einer Heimkehr" und die Gedichte "Nach dem Norden", die im - verzweifelt-leidenschaftlichen - Ton bei weitem intensiver sind als "Anruf aus Rom". Die für Skwara typischen Themen Liebe, Sehnsucht, Zerrissenheit und Tod werden in seinen späteren Prosawerken mit einer melancholischen Kraft zur Sprache gebracht, die seine Zwischengeschichte fast schon nüchtern wirken läßt. In "Anruf aus Rom" wird eine Balance gehalten zwischen der Sprachfertigkeit des Erzählers und der Sprachlosigkeit einer Liebe, in der der eine den anderen nicht mehr versteht.

Titelbild

Erich Wolfgang Skwara: Versuch einer Heimkehr.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1998.
92 Seiten, 5,50 EUR.
ISBN-10: 3518393650

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Erich Wolfgang Skwara: Anruf aus Rom.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 1999.
67 Seiten, 6,50 EUR.
ISBN-10: 3518395483

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch