Zu dieser Ausgabe

"Nur der Meisterschaft nah bracht ich ein einzig Talent: / Deutsch zu schreiben, und so verderb ich unglücklicher Dichter / In dem schlechtesten Stoff, leider nun Leben und Kunst", schreibt Johann Wolfgang Goethe in seinen "Venezianischen Epigrammen".

Eine ironische Distanz zur deutschen Sprache, vielleicht aber auch zum 'deutschen Wesen' schlechthin macht sich hier bei jenem großen Vorbild bemerkbar, dem Thomas Mann wie kein Zweiter in der modernen deutschsprachigen Literaturgeschichte nacheiferte.

Freilich dauerte es bei Mann, dessen 50. Todestag am 12. August begangen wird und den wir deshalb auch in der neuen Ausgabe von literaturkritik.de gebührend würdigen, etwas länger, bis er sich zu einer ähnlichen Kritik am deutschen Nationalismus durchringen konnte, wie sie Goethe bereits zur Zeit der so genannten Befreiungskriege gegen Napoleon zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit aller ihm eigenen Diplomatie vertrat.

Vom Verfasser der "Betrachtungen eines Unpolitischen" (1918) bis zum Autor des in seiner feinen Ironie nationalismuskritischen Exilromans "Lotte in Weimar" (1939) war es für Thomas Mann ein weiter, von vielem Zögern und Zweifeln gekennzeichneter Weg, wie in den Essays unserer Ausgabe mehrfach deutlich wird.

Wir danken allen, die an dieser Ausgabe mitgearbeitet haben, besonders denen, die sie durch größere Essays bereichern konnten. Im Laufe des Monats wird die Ausgabe noch um einige weitere Artikel ergänzt.

Jan Süselbeck