Untrennbar verbunden

Wie Jens Petersen Vater und Sohn aneinander bindet

Von Liliane StuderRSS-Newsfeed neuer Artikel von Liliane Studer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Vielleicht hatte ich damals ein falsches Bild von meinem Vater, aber als ich begann, genauer darüber nachzudenken, war es für uns beide zu spät." Mit diesen Worten beginnt der Roman 'Die Haushälterin' von Jens Petersen, und die Gewissheit, dass es zu spät war, zieht sich durchs ganze Buch. Die Voraussetzungen sind denkbar schlecht. Der Sohn Philipp ist sechzehnjährig und damit in einem an sich schon schwierigen Alter. Der Tod seiner Mutter, die an Krebs gestorben ist, hat ihm schwer zu schaffen gemacht. Gerade als er sich langsam wieder etwas gefangen hat, verliert sein Vater die Stelle, die er zwanzig Jahre innegehabt hatte, weil er sich nicht nach Tokio versetzen lassen wollte.

Auch der Vater leidet still am Tod seiner Frau. Der Verlust seines Arbeitsplatzes wirft ihn vollends aus der Bahn. Er beginnt zu trinken, so sehr, dass er eines Tages die Treppe hinunterstürzt und schwer verletzt ins Krankenhaus gefahren werden muss. Philipp sucht in seiner Einsamkeit und Verzweiflung per Inserat eine Haushälterin. So kommt die junge Polin Ada ins Haus und Philipp verliebt sich Hals über Kopf in die attraktive Dreißigjährige, ohne so genau zu wissen, was da eigentlich mit ihm passiert. Es wirbelt ihn jedoch ganz tüchtig herum, und Ada tut das ihre dazu. Sie gehen baden, Ada nimmt ihn mit zu einer Party, auf der er sich als der Jüngste überhaupt nicht mehr zurechtfindet. Und wenn er auch noch so sehr nach Hause möchte, er kann sich nicht trennen.

Dass auch der Vater einige Zeit nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhaus empfänglich für die Reize dieser Frau wird, macht die Sache nicht einfacher. Denn so ist es für Philipp ausgeschlossen, sich seinem Vater anzuvertrauen. Er zieht sich immer mehr zurück, kapselt sich ab, isoliert sich von der Außenwelt - und keiner scheint davon Kenntnis zu nehmen. Die beiden Männer - Vater und Sohn -, die sich nach dem Tod der Mutter fest zusammengeschlossen haben, sind nun erneut durch eine Frau aneinander gekettet, diesmal jedoch unter wesentlich schwierigeren Vorzeichen. Redeten die beiden schon damals kaum über ihre Gefühle, kommt ein Gespräch zwischen Vater und Sohn über Liebe, Verliebtsein und Gefühlsverwirrungen erst Recht kaum noch in Betracht. Obwohl dies gerade für Philipp dringend notwendig und letztlich von ihm auch gewünscht gewesen wäre. Doch seinem Vater kann und will er sich nicht anvertrauen. So entfernen sich Vater und Sohn immer mehr voneinander - und sind doch untrennbar miteinander verbunden.

Jens Petersen gelingt es in seinem Erstling, die Schwierigkeiten eines Pubertierenden in der klaustrophobischen Enge eines Hauses, das keine Veränderungen erleben darf, eindringlich darzustellen. Die drei Hauptfiguren - der Vater, der Sohn und die Haushälterin - sind Scheiternde auf unterschiedliche Weise. Sie sind miteinander verbunden durch starke Gefühle, die ihnen jedoch selbst Angst machen und die sie in der Folge vor sich und vor den anderen zu verbergen suchen. Das treibt sie in eine tiefe Einsamkeit, der sie durch Flucht entkommen wollen. Dass das nicht geht, versteht sich von selbst. Sie jedoch müssen es schmerzhaft erfahren. Was das heißt, stellt der knapp Dreißigjährige, der als Arzt in München lebt, in lakonischer Sprache, mit wenigen Worten und großer Einfühlung in seine Figuren überzeugend dar. Dass die sexuellen Fantasien von Philipp immer wieder ausführlich geschildert werden - zwar in ihrer Subtilität überzeugend, aber durch die Wiederholung an Eindrücklichkeit verlierend -, vermag den Eindruck nicht nachhaltig zu beeinträchtigen, dass mit "Die Haushälterin" ein herausragendes Debüt vorliegt.

Titelbild

Jens Petersen: Die Haushälterin. Roman.
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2005.
175 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3421057869

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