Nicht nur für den Lateinunterricht

Zur Neuerscheinung von Caesars "Kriege in Alexandrien, Afrika und Spanien"

Von Axel SchmittRSS-Newsfeed neuer Artikel von Axel Schmitt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das allermeiste, was man heute überhaupt noch weiß von jenem Mann, dessen Name für Jahrhunderte Europas höchster Herrschertitel wurde, das weiß man in der Regel aus der Schullektüre des "Bellum Gallicum", einem Werk von höchstem intellektuellem Anspruch und brennendster politischer Aktualität zum Zeitpunkt des Verfassens und Erscheinens (Ende 52 oder 51 v. Chr. im beginnenden Streit um Caesars Nachfolge in Gallien und seine Ansprüche auf ein zweites Konsulat). Möglicherweise genoss man auch das Privileg, wenigstens Auszüge aus den drei Büchern "commentarii" über den Krieg mit Pompeius ("Bellum Civile"), vielleicht noch 48/47 v. Chr. in Alexandria verfasst, aber nicht mehr publiziert, im Lateinunterricht zu lesen.

Caesars literarischer Nachruhm gründet sich allein auf die im Corpus Caesarianum postum publizierten "commentarii", einer Art "Denkschrift" römischer Feldherrn und Herrscher, die in der Antike nur selten gelesen und über eine spätantike Handschrift im Mittelalter vor allem in Frankreich in einigen wenigen Exemplaren tradiert wurde. Das mittelalterliche, vor allem durch Plinius und Sallust geprägte Bild Caesars als erstem Kaiser, Kalenderreformer und Sieger in exotischen Feldzügen weicht erst im 16. Jahrhundert dem aus Sueton und den commentarii selbst gewonnenen Bild. Erst jetzt beginnt man Caesars Texte in der Schule zu lesen, sodass die literarische Reduktion der Kriegführung auf das Operieren mit großen Truppenkörpern als Vorbild neuzeitlicher Heere dienen kann. Höhepunkt ist die Caesar-Lektüre in preußischen Kadettenanstalten und Schulen im 19. Jahrhundert, die bis heute für den Latein-Unterricht normgebend ist. Ein gröberes Missverhältnis zwischen Autor-Intention und rezeptiver Lesehaltung ist für kaum ein anderes Werk der Weltliteratur denkbar.

Was Caesar dem römischen Senat in Form seiner "commentarii" vorlegte, war keine sachlich-trockene, auf enge militärische Kategorien beschränkte Frontberichterstattung mehr. Es waren in der Sprache militärisch-knappe, stilistisch glänzend zugeschliffene Dossiers, die mehr boten als Bericht und Rechenschaft: die in der Sache souverän fundierten Analysen erfolgreich abgeschlossener politisch-militärischer Aktionen der Reichserweiterung bzw. Reichssicherung. Die Zeitgenossen haben das Neue an den "commentarii" sofort empfunden. Sie bemerkten, dass die Prätention des Autors, nur Material für künftige Historiker bereitzustellen, reine Taktik war. Cicero, der als 'Rhetorik-Papst' der Zeit die oberste Instanz der Literaturkritik repräsentierte, ließ durch eine seiner Dialogfiguren im "Brutus" kommentieren: "Wenn er [Caesar] anderen das Material zur Verfügung stellen wollte, aus dem sich die bedienen sollten, die Geschichte würden schreiben wollen, so hat er allenfalls den Toten einen Dienst erwiesen, die seine Darstellung mit der Brennschere werden auffrisieren wollen; Leute mit Verstand hat er vom Schreiben abgeschreckt!"

Nach der Schlacht bei Pharsalos 48 v. Chr. folgte Caesar dem unterlegenen Pompeius nach Ägypten, wo dieser wenige Tage vor Caesars Ankunft ermordet wurde. In dem sich daran anschließenden ägyptischen Thronstreit nahm Caesar Partei für Kleopatra, in Alexandria kam es zu Straßenkämpfen, bei denen auch Teile der berühmten Bibliothek abbrannten. Erst nach der Ankunft frischer Truppen gewann Caesar die Kontrolle über die Situation. Die kriegerischen Auseinandersetzungen sind im "Bellum Alexandrinum" beschrieben und stehen in engem Zusammenhang mit Caesars "commentarii". Beim Marsch durch Kleinasien stellte sich Pharnakes II. bei Zela Caesar entgegen - es wurde Caesars schnellster Sieg; das in diesem Zusammenhang bei Plutarch überlieferte Idiom (veni, vidi, vici) dürfte auch vielen Nicht-Lateinern bekannt vorkommen, wobei Plutarchische Rekonstruktionen bekanntermaßen mit großer Vorsicht zu genießen sind. Ende Dezember 48 befand sich Caesar - nach einem kurzen Rom-Aufenthalt - wieder auf dem Weg nach Afrika, wo seine senatorischen Gegner neue Legionen rekrutiert hatten. Der Verfasser des "Bellum Africum" berichtet über Caesars Feldzüge in Afrika von Ende 47 bis Anfang 46 v. Chr. Im April 46 besiegte Caesar die gegnerischen Truppen bei Tapsos. Nach Rom zurückgekehrt, feierte Caesar nicht weniger als vier Triumphe, bevor er Anfang November zur letzten Schlacht des Bürgerkrieges nach Spanien aufbrach, die er gegen die Söhne des Pompeius führte und am 17. März 45 bei Munda gewann; aufgezeichnet findet sich dies im "Bellum Hispaniense".

Die Bücher über den Alexandrinischen, Afrikanischen und Spanischen Krieg, die nun im Rahmen der "Edition Antike" der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erschienen sind, sind zwar ebenfalls in das Corpus Caesarianum einzurechnen, stammen aber nicht aus der Feder des Feldherrn selbst. Bereits das achte Buch des "Bellum Gallicum" hat Caesars Offizier Aulus Hirtius verfasst, und auch das "Bellum Alexandrinum", das nahtlos an den Bericht über den Bürgerkrieg anschließt, wird diesem bisweilen zugeschrieben. Die Verfasser der beiden übrigen Bücher sind unbekannt. Mit ziemlicher Sicherheit darf jedoch davon ausgegangen werden, dass die Autoren während dieser militärischen Aktionen als Offiziere unter Caesar gedient haben. Dafür sprechen neben der genauen Ortskenntnis vor allem der an Caesar angelehnte überwiegend sachliche, einheitliche und knappe Stil, der ganz dem Ideal der elegantia verpflichtet ist. Diese drei Text-Supplemente zu den von Caesar stammenden commentarii dürften kurz nach dessen Tod ausgeführt worden sein.

Unzweifelhaft tragen die posthum vollendeten Bücher zu Caesars Ruhm als Feldherr und Schriftsteller bei. Bedenkt man, mit welchem Interesse und geistigem Zugewinn die Zeitgenossen das Corpus Caesarianum lasen, mutet es mitunter grotesk an, dass diese Texte heute zum Erlernen der lateinischen Grammatik missbraucht werden. Bis heute lesen Kinder und Jugendliche einige Passagen der commentarii (je nach Leistungsstärke der Klasse pro Stunde drei bis sieben Sätze), erlernen daran mühsam den A.c.I. und den Ablativus absolutus und schimpfen dann ein Leben lang, Latein sei schrecklich und - allerdings nur bei entsprechend vorhandenem politischen Bewusstsein der SchülerInnen - Caesar ein engstirniger Militarist! Ansichten, die dank dieser vorbildlichen Edition verdienen, endlich revidiert zu werden.

Titelbild

Gaius Iulius Caesar: Kriege in Alexandrien, Afrika und Spanien. Lateinisch und deutsch.
Herausgegeben von Thomas Baier.
Nach der Übersetzung von Anton Baumstark überarbeitet und mit Anmerkungen versehen von Carolin Jahn.
wbg – Wissen. Bildung. Gemeinschaft, Darmstadt 2004.
274 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3534181174

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