Dokumentation einer Zeit

Karl Gutzkows biografischer Versuch über Ludwig Börne

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Karl Gutzkow plante eine Biografie über seinen ehemaligen Mitstreiter des so genannten "Jungen Deutschlands" Ludwig Börne. Zur Veröffentlichung bot er das Manuskript dem Verleger Campe an. Auch Heinrich Heine wollte eine Biografie über Ludwig Börne schreiben und bot sie dem selben Verleger an, der dieses Angebot ebenfalls annahm - mit dem Verweis an Heine, der von dem Gutzkow-Projekt wusste, dass sich die Inhalte nicht überschneiden würden. Campes Streitigkeiten mit Gutzkow als Herausgeber des "Telegraphen" und einige persönliche Animositäten sorgten dafür, dass der Verleger die Veröffentlichung der Gutzkow'schen Biografie Börnes verzögerte, die Arbeit von Heine zuerst erschien und erst einige Monate später die Börne-Biografie Gutzkows.

Gutzkows Verärgerung über diese Veröffentlichungsstrategie schlägt dem Leser seines Buches aus den einleitenden Worten entgegen: "Das Buch sollte zunächst die Einleitung zu einer neuen Ausgabe der in den deutschen Bundestaaten erlaubten Schriften Börne's sein. Das Unternehmen gerieth jedoch in's Stocken und die Biographie Börne's, schon im Herbst vorigen Jahres [1839] vollendet, wurde unter diesen Umständen in ihrem Erscheinen länger hingehalten, als die zunächst daran betheiligten Freunde Börne's wünschen mußten." Heines Schrift sollte ein verlegerischer Misserfolg werden, der wahrscheinlich noch größer geworden wäre, wenn das Buch nach Gutzkows Biografie erschienen wäre. Die Form der Selbstbiografie im Spiegel Börnes war der Zeit nicht angemessen. Gutzkow war dagegen weniger subtil. Er lieferte dokumentarisches Material, das in einer zweiten Auflage und für die Werkausgabe von 1876 noch einmal um weitere Dokumente erweitert wurde. Dies sicherte der Gutzkow'schen Schrift ihren Platz in der Börne-Forschung - bis in die Gegenwart hinein.

Die am Erstdruck von 1840 herausgegebene Edition der Börne-Schrift Gutzkows erscheint als fünfter Band in der Abteilung "Schriften zur Literatur und zum Theater" der digitalen Gesamtausgabe von Gutzkows Werken und Briefen. Wie schon bei den vorherigen Bänden der Ausgabe (Vgl. literturkritik.de 05/2004) besteht die Edition aus einem Text- und einem Kommentarteil, der im Anhang des Bandes, auf CD-Rom und im Internet zugänglich gemacht wird. Es mag zwar im Zeitalter der modernen Technik vielleicht keine so innovative Feststellung sein - aber ein gedruckter Kommentar am Ende eines Textbands macht immer noch einen besseren Eindruck als beeindruckende Materialmengen und Dokumentensammlungen im Internet - vor allem ist dieser überschaubar und kommensurabel. Neben dem Texterläuterungen und dem Kommentar, einer etwas spartanischen editorischen Notiz und einem opulenten Nachwort wurde dem Band ein Personenregister beigegeben, was gerade bei einem Band wie dem über Börnes Leben eine nutzbringende Hilfe ist.

Gutzkows Börne-Biografie ist nicht unbedingt einer der interessantesten Texte, sondern eher für die literaturwissenschaftliche Forschung hilfreich. Er ist aber auch als kulturhistorischer Text lesbar, der nicht zuletzt aufgrund seiner Kritik Heines seine Bedeutung behält.

Titelbild

Karl Gutzkow: Börne's Leben. Gutzkows Werke und Briefe. Schriften zur Literatur und zum Theater Bd. 5. Kommentierte digitale Gesamtausgabe. Mit CD-ROM.
Herausgegeben von Martina Lauster und Catherine Minter.
Oktober Verlag, Münster 2004.
261 Seiten, 25,00 EUR.
ISBN-10: 3938568046

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