Lachen über die Pest

Mit "Mercks Wienn" begründete Abraham a Sancta Clara vor 325 Jahren seinen Ruhm

Von Anton Philipp KnittelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anton Philipp Knittel

Unter dem Titel "Mercks Wienn" erschien 1680 in Wien eine gut zweihundert Seiten umfassende Ständesatire. Mit dieser "des wütenden Todts umbständigen Beschreibung" begründete der Wiener Hofprediger Abraham a Sancta Clara vor 325 Jahren seinen literarischen Ruhm weit über die Grenzen Österreichs hinaus. Ausgangspunkt dieses "kleinen Traktätls" des damals 36-jährigen kaiserlichen Predigers war die Pestkatastrophe von 1679 in der österreichischen Residenzstadt. Dabei ist "Mercks Wienn", das noch im Erscheinungsjahr acht Mal neu aufgelegt wurde, weit mehr als eine bloße Pestschrift. Historischer Bericht, religiös-sittliche Ermahnungen und damit verbunden ein politischer Appell gehen - wie immer bei Abraham à Sancta Clara - Hand in Hand.

Jedoch steht weniger die Pest als der Tod im Zentrum des Werks. Er hat, wie schon auf dem eindringlichen Titelkupfer ersichtlich, vor nichts und niemandem "Respect". Als Knochenmann und Orgelspieler, der als göttlicher Gegenspieler die Weltharmonie stört, regiert er genauso wie als knöchriger Gelehrter, der den "Doctores und Discipel" und den "wohlgelehrten Köpff" zuruft, dass er weder Latein versteht noch "Buch noch Büchlein" achte, oder als martialischer Soldat, der seinen Standesgenossen zu verstehen gibt, dass Widerstand zwecklos ist: "Aber trutze nicht / mein Pfeil ist gut / Durchtringt ein Kleyd von Eysen".

Totentanz und Pestbericht, versehen mit Bibelzitaten und Versen an den Kapitelanfängen, gespickt mit Gleichnissen aus der Kirchen- und Menschheitsgeschichte, Parabeln, Sentenzen und Sprüchen wie "Wohl, wer selbst tut, was er predigt!" mündet "Mercks Wienn" am Ende mit seiner Anrufung zeitgenössischer Personen und Institutionen in einen Aufruf zur Bewältigung der Gegenwart, wie die Abraham-Forschung festgestellt hat.

Der "so wol Wissen als Gwissen antreffenden Lehr" von "Mercks Wienn" folgen im selben Jahr 1680 weitere Schriften wie die Predigtsammlung "Lösch Wien" - ein Aufruf der Seelen der Pesttoten zu gedenken - die "Grosse Todten-Bruderschafft" oder die Predigt "Danck- und Denck-Zahl des Achten gegen dem Drey". Überhaupt scheint 1680 für den am 2. Juli 1644 in Kreenheinstetten geborenen Hofprediger ein besonderes Jahr gewesen zu sein. Denn in diesem Jahr wurde Abraham, der nach dem Besuch der Meßkircher Lateinschule über das Ingoldstädter Jesuitengymnasium und der Zeit als Benediktiner in Salzburg 1662 in den Orden der Augustiner-Barfüßer in Wien eintrat und schließlich 1677 zum Hofprediger ernannt wurde, Prior des Wiener Klosters. Im selben Jahr verstarb mit dem Altöttinger Kanonikus und Kirchenkomponisten Abraham von Megerle sein früher Förderer und Onkel. Im Jahr darauf verstarb auch Abrahams Gönner, der niederösterreichische Landmarschall Johann Balthasar Graf Hoyos, in dessen Hause Abraham fünf Monate während der Pest verbracht und große Teile seines "Mercks Wienn" konzipiert hatte, jenes Werks, das seine barocke Sprachkraft weithin bekannt machen sollte. In den nächsten Jahren folgten mit der Kampfschrift "Auff, auff, Ihr Christen" gegen die Wien belagernden Türken (1683), der Thomas-Predigt "Reimb dich, Oder Ich Liß Dich" (1684), dem vierbändigen "JUDAS der Ertz-Schelm" (1686-1695), dem "Wunderlichen Traum von einem großen Narren-Nest" (1703), dem "Heilsamen Gemisch-Gemasch" (1704) und vor allem "Huy! Und Pfuy! Der Welt" (1707) weitere wichtige und gewichtige Werke, bevor Abraham à Sancta Clara am 1. Dezember 1709 in Wien friedlich, wie zeitgenössische Quellen berichten, starb.