Langsames Sterben

Noch immer ist der Dativ dem Genitiv sein Tod

Von Stefanie HartmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefanie Hartmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer so einleuchtend und zugleich erheiternd über den richtigen Gebrauch der deutschen Sprache belehrt, hat es verdient, in Schullehrpläne aufgenommen zu werden. Das entschied man zumindest im Saarland, und seitdem dient Bastian Sicks "Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod" dort als Schullektüre. Jetzt liegt die Fortsetzung vor, und noch immer erfahren wir Neues über den gebeutelten zweiten Fall. Denn dem Verb "gedenken" sollte der Genitiv folgen und nicht, wie inzwischen weithin üblich, der Dativ. Und nach Präpositionen wie "laut" ist der Dativ inzwischen zwar auch erlaubt, doch formvollendeter ist noch immer der Gebrauch des Genitivs. Damit man solche Ausnahmen auch schnell nachschlagen kann (und der zweite Band bald in ganz Deutschland Schullektüre wird), folgt nach vielen einschlägigen Kolumnen des Autors nun auch eine kleine Übersicht über die Problemfälle.

Sick findet und erfindet amüsante Beispiele aus Medien und Alltag, um die allgemeine "Sprachpanscherei" (dafür gibt's inzwischen sogar Preise) zu demaskieren. Gelobt sei da der Hund, der dem falsch gebildeten Imperativ "Fress" keine Folge leistet. Und damit es auch der Bruce Willis-Fan begreift: Der Film hieß "Stirb langsam" und nicht "Sterbe langsam"!

Selbst die neue Rechtschreibung konnte nicht alle Missverständnisse aus der Welt schaffen, so plagen sich noch immer viele mit der Unterscheidung von "das" und "dass" herum. Hier - so weiß Sick - hilft die Kenntnis süddeutscher Dialekte weiter: "Wann immer man auf Schwäbisch 'des' sagen kann, schreibt man "das", ansonsten "dass": "Dass des so schwer sei soll, des versteh i net!" Und manche Dinge existieren scheinbar nur in Dialekten, so sammelte Sick unzählige Varianten der Bezeichnungen für den "Apfelrest" von "Griebsch" über "Nüssel" bis zu "Butzen". Und die Frage, wie nun das Ding heißt, das an der Supermarktkasse die Waren voneinander trennt, wird auch geklärt: Warentrenner, bzw. Kassentoblerone (in Teilen der Schweiz). Bei anderen Begriffen macht sich Sick auf die Suche nach dem Ursprung und findet so heraus, dass sich hinter "Puff" ursprünglich ein Brettspiel verbarg, heute besser bekannt unter dem Namen Backgammon.

Unsinnig angebrachte Kommata, Anführungs-, Auslassungs- und Leerzeichen bringen den Autor fast um den Verstand. Zum einen, weil der Anblick oftmals einfach nur schmerzt, zum anderen, weil zudem noch der Sinn völlig entstellt wird. Bei dem Slogan "24 Monate ohne Grund Gebühr" entscheidet er sich prompt bei seinem alten Anbieter zu bleiben, weil er da wenigstens weiß, warum er Gebühren zahlt. Bei "Heike's Zoo'eck", "Sie war steht'z ein guter Begleiter" und "Lexicon's" wird es dann aber wirklich zu bunt, und man ist geneigt, mit Stoiber zu fordern, wir müssten "den Ausländern richtiges Deutsch lernen" (taz).

Seinen Kollegen wirft Sick Schlampigkeit vor, beispielsweise beim Übersetzen so genannter "falscher Freunde", deren Bedeutung offensichtlich erscheint, es aber nicht immer ist. Denn wenn Frau Chirac Hillary Clinton nachsagt, sie sei "a professional" meint sie damit wohl nicht, sie sei eine "Professionelle", sondern eher ein Vollprofi. Genauso handelt es sich bei einer "billion" nicht um eine Billion, sondern eine Milliarde.

Am Ende liefert Sick noch eine Art Knigge für E-Mailschreiber und einen Test zur Prüfung der eigenen Sprachkompetenz (so viel Quiz muss sein, es gibt natürlich immer Alternativen zum Ankreuzen!). Ein ausführliches Stichwortverzeichnis hilft dabei, einzelnen Problemen auf den Grund zu gehen (zum Beispiel warum in diesem Buch auf Mireille Mathieu dreimal Bezug genommen wird und auf Thomas Mann nur einmal).


Titelbild

Bastian Sick: Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod, Folge 2. Neues aus dem Irrgarten der deutschen Sprache. Die Zwiebelfisch-Kolumnen.
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2005.
272 Seiten, 8,90 EUR.
ISBN-10: 3462036068

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