Veralteter Reiseführer

Zwei Mann-Sprösslinge erzählen ihren Traum vom Süden

Von Christina LangeRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christina Lange

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kaum liest man den Titel dieses betont "anderen" Reiseführers, da hat man sie auch schon alle vor Augen, die Postkarten-Klischees: Der Himmel so blau, der Sand so weiß, das Meer geheimnisvoll türkisgrün erstrahlend. Dabei ist es ein schlichter Titel, den die beiden ältesten Sprösslinge des Buddenbrooks-Nobelpreisträgers Thomas Mann für ihr kleines Buch gewählt haben. Es liegt vielmehr an dem Leser, wenn ein einfaches "Das Buch von der Riviera" gleich Assoziationsketten von Sommer, Urlaub und Palmensilhouetten bei ihm auslöst. Was eigentlich auch gar nicht schlimm ist, denn Urlaubssehnsucht ist schließlich das, was beim Leser durch dieses Buch geweckt werden soll. Am besten, so scheinen uns die Geschwister Mann sagen zu wollen, packen wir gleich unsere Koffer und reisen los, nach Cannes, Marseille oder auch in ein pittoreskes Dörfchen wie etwa St. Raphael. Und wenn nicht, so können wir uns wenigstens ein bißchen in diese Gegend "hineinlesen".

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass dieser Alternativ-Reiseführer, welcher das Buch unbedingt sein möchte (oder zu seiner Zeit sein wollte), auf Reiseerfahrungen von 1931 basiert. Das nämlich war die Zeit, in welcher Erika und Klaus Mann die Riviera systematisch bereisten, um das Erfahrene in einem Buch zu sammeln und damit zu zeigen "was nicht im Baedeker" steht. Nicht das erste Mal arbeiteten Erika und Klaus Mann dabei an einem solchen Projekt. Bereits von einer früheren Weltreise existiert eine literarische Aufarbeitung mit dem Titel "Rundherum". Allerdings hat dieses Buch einen anderen Charakter als "Das Buch von der Riviera". Während Ersteres in Anekdoten und Geschichten die Erlebnisse der beiden Reisenden schildert, ist letzteres stark benutzerorientiert.

Minutiös bekommt der Leser erklärt, wo man in Cannes am besten speisen kann, wo man in Toulon preiswert wohnt und warum man nach La Turbie fahren sollte. Einige Empfehlungen dürften die Zeit überdauert haben, die meisten sind vermutlich längst überholt.

Dennoch bietet der schmale Band noch mehr als nur Tipps für Reisende. Hier und da fließen sie ein, die kleinen Plaudereien über damalige Prominenz wie Jean Coucteau oder etwa Zitate von Schriftstellerkollegen wie André Gide, der davon spricht, es sei "eine trügerische Spiegelung, die uns vortäusche, der Süden sei etwas Gnadenreich-Mildes".

Natürlich macht man sich auch lustig über die Modesalons für Schoßhündchen in Cannes und selbstredend beanstandet man die Übernahme einer Szene-Kneipe für schwarze Musiker durch die eigenen Landsleute. Trotz solcher, manchmal leicht kritischer Untertöne stellt das Buch genau das dar, was der Text auf dem Buchdeckel verspricht: "Das Buch ist eine Liebeserklärung an die Côte d'Azur zu einer Zeit, als sie noch idyllisch war."

Dass dieses Buch eben das sein kann, liegt unter anderem auch daran, dass Teile des ehemals veröffentlichten Reiseberichts in dieser neuen Ausgabe ausgespart worden sind. Die Aufzeichnungen enden hier an der Grenze nach Italien; das gespannte politische Klima an der italienischen Riviera scheint die Positivität der weiteren Reisebeschreibungen zu sehr getrübt zu haben. Zumindest wird dies auf der letzten Seite des vorliegenden Buches erklärt. Diese Kürzung, heißt es da, sei vorgenommen worden, damit sich diese Buchausgabe als "letztes Bekenntnis zum schönen Leben, zum Genuss" lesen lasse, denn wenige Jahre später folgte jenen hedonistisch geprägten Schilderungen der Mann-Geschwister vor allem Exilliteratur, die sich gegen den Faschismus richtete.

Hierdurch allerdings nehmen die Herausgeber dem ehemaligen Reisebericht einen Teil des historischen Kontextes. Das Buch gleitet in einem Plauderton dahin, der oft hart an Banalität grenzt. Natürlich will und kann ein Buch wie dieses keine hohe Literatur sein. Es ist auch nicht zu vergleichen mit den späteren Texten Klaus Manns, welche im Exil nach 1933 entstanden sind, oder mit den letzten gemeinsamen Büchern der Mann-Geschwister, wie dem in Amerika erstmals veröffentlichten Werk "Escape to Life", in dessen Mittelpunkt vor allem die geistige Elite der Emigration steht.

Trotzdem stellt sich aus heutiger Sicht die Frage, was einen solchen Reisebericht nach so vielen Jahren noch lesenswert machen soll. Bei aller Liebe zum typisch milden Klima der französischen Riviera und zur gemütlichen Mentalität der Einwohner (etc.) bietet dieser kleine Band trotz liebevoller Gestaltung kaum mehr als den Blick auf eine der eingangs erwähnten Klischee-Postkarten.


Titelbild

Klaus Mann / Erika Mann: Das Buch von der Riviera.
ebersbach & simon, Berlin 2005.
119 Seiten, 14,00 EUR.
ISBN-10: 393470395X

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