Feiern der Selbstvergewisserung

Ein Band zur Jenaer Festkultur um 1800

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Feste haben unterschiedliche Funktionen, hängen mit individualgeschichtlichen oder nationalen, kirchlichen oder politischen Ereignissen zusammen. Seit ungefähr zwanzig Jahren tritt die Erforschung von Festen und festlichen Ereignissen ins Zentrum des Interesses der Literatur-, Geschichts- und Kulturwissenschaften. Dabei sind es nicht nur die nationalen oder kulturellen Ereignisse, die in den Blick der Forscher geraten. Erfreulicherweise werden sowohl zeitliche als auch geografische Schnitte an die Festkultur gelegt, so dass es möglich ist, Entwicklungen von Festen an einem Ort oder den Vergleich von verschiedenen Festen zu einem Zeitpunkt zu untersuchen und daraus nutzbringende Erkenntnisse zu ziehen. Die Herausgeber haben für den Sammelband einen Rahmen gesetzt: "Feste wie Neujahr, Ostern oder Weihnachten markieren Höhepunkte im Verlauf des Natur- und Kirchenjahres. Gründungsjubiläen oder Nationalfeiertage sind Höhepunkte im Leben einer sozialen oder politischen Gemeinschaft. Feste rhythmisieren die Zeit, sie gehören demnach zum Umgang einer Kultur mit der Zeit, zur Zeitkultur."

Es ist also der allseits strapazierte Begriff der Kultur, der bei der Untersuchung der Feste in der Stadt Jena Anwendung findet und den Grundtenor des Bands bestimmt. Hinzu kommt die Überlieferungssituation der Quellen. "Die Jenaer Festkultur um 1800 ist eine vornehmlich in administrativen Quellen überlieferte, und so sind die verschiedenartigen Festgedichte neben den nur sporadisch vorhandenen Bildquellen und Spuren musikalischer Aufführungen ein wichtiger Verweis auf die künstlerische Gestaltung der Feste."

Die in fünf Kapitel aufgeteilten knapp ein Dutzend Beiträge erörtern die verschiedenen Aspekte der Feste im Allgemeinen und der Jenaer Festkultur im Besonderen. In der Einführung steckt Johanna Sänger nach einer zehnseitigen Einleitung den Rahmen der Untersuchungen in dem Beitrag "Plätze, Kirchen, Berge. Zur Beziehung von städtischen Räumen und festlichem Ritual um 1800" ab. In den Abschnitten "Abgrenzungen", "Bedeutung", "Gemeinschaft", "Gestaltung und Überlieferung" erörtern neun Beiträge das Spannungsfeld zwischen offiziellem und bürgerlichem Fest, National- und Volksfest und Festtheorie und Festpraxis. Besonders aufschlussreich und daher hier noch einmal hervorgehoben sei der Beitrag von Stefan Gerber über "Konfession und Nation im 'Ereignis Weimar-Jena'". Die Feiern zum 300. Reformationsjubiläum 1817".

Man hätte sich in dem Band noch manch anderes Thema vorstellen können, z. B. den Bereich der Totenfeierlichkeiten betreffend. Auch wäre eine Erweiterung des Zeitrahmens für den Band sicherlich nutzbringend gewesen. Dabei soll diese Kritik nicht die Leistung des Buchs schmälern, das mit viel Gewinn für die Literatur- und Geschichtswissenschaften gelesen werden kann, zumal auch die wissenschaftlichen Anhänge den Band mit einer Übersicht der hinzugezogenen Quellen und einer nutzbringenden Bibliografie zu einer interessanten Quelle zur Festforschung machen.


Titelbild

Lars Deile / Johanna Sänger / Ulrike Alberti (Hg.): Spannungsreich und freudevoll. Jenaer Festkultur um 1800.
Böhlau Verlag, Köln 2005.
255 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-10: 3412189057

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