Dreißig Weinsorten, 18 Prozent Alkohol

Ein neues, reich bebildertes Handbuch stellt das Alltagsleben der alten Griechen vor.

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Was wissen wir überhaupt über die alten Griechen? Wenig, zugegeben. Oft wissen wir nur, dass sie "alt" waren und die Olympischen Spiele erfunden haben. Und dass sie schwul waren: Es heißt ja bestimmt nicht umsonst "griechische Liebe", oder? Na gut, ein wenig Sokrates(vor allem wegen Xanthippe) und Platon und sein

Höhlengleichnis, vielleicht noch etwas Odysseus und Polyphem, ein bisschen Zeus und Hera. Und ganz vielleicht ist auch noch einiges von den uralten, einprägsamen Schulsprüchen im Kopf: "Drei-drei-drei Issos-Keilerei". Wer damals gegen wen war, das ist schon schwieriger: Am wahrscheinlichsten sind da immer die Perser.

Wie also lebten die alten Griechen? Wie lebten sie ihren Alltag? Wie wohnten, spülten, spielten, schliefen, kochten sie, wie kleideten sie sich? Was aßen, glaubten, arbeiteten sie? Wie wohnte man in Sparta, was spielten die Kinder? Und wie liebten die "alten Griechen"? Nein, sie waren nicht schwul. Aber doch: Die Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem Knaben wurde "als normales Stadium in der Entwicklung des Jugendlichen angesehen". Der Erwachsene wurde "Erast" genannt, der Knabe der "Paidaka", der "Liebling" des Erwachsenen. In aller Öffentlichkeit durften die beiden miteinander turteln. Sobald aber beim Knaben die ersten Haare sprossen, war es aus. Homosexualität zwischen Erwachsenen war zwar nicht verboten, wie bei uns lange Zeit, aber doch verpönt.

Ein neues, kurzes, reich bebildertes Handbuch erläutert nicht nur diese kulturelle Abweichung, sondern auch alle anderen Aspekte des altgriechischen Lebens. Die französischen Autoren - Historiker und Historikerinnen, der Chefredakteur eines populärwissenschaftlichen Magazins und Archäologinnen - finden treffend knappe und einfache Worte für alle Alltagsaspekte, die einen interessieren könnten.

Olympiaden? "In klassischer Zeit ziehen die agones, meist durch sportliche Wettkämpfe und Wettbewerbe, die Massen an. Sie sind immer Teil eines Kultes, der einem Gott erwiesen wird. Die berühmtesten sind die panhellenischen Spiele, von denen die prächtigsten in Olympia ausgetragen wurden." Alle durften teilnehmen, außer Frauen und Sklaven. Aber meistens sind es doch reiche Bürger, die sich das teure Training leisten können. Rechtsprechung? "Über Verbrechen und strafbare Handlungen urteilt in Athen ein Volksgericht, dessen Richter unter den Bürgern ausgelost werden. Die Urteile reichen von einer Geldbuße bis hin zur Beschlagenahmung der Güter und von der Aberkennung der Bürgerrechte bis zur Todesstrafe." Es gab öffentliche und private Klagen, graphe und dike. Steuerrecht? Es gab indirekte Steuern und Appelle an die Bürger, zu spenden. Und der berühmte Wein? "Die Völker des Mittelmeerraumes entwickelten sich aus der Barbarei zu einem zivilisierten Volk, als sie lernten, Oliven und Wein anzubauen", sagte Thukydides. Über dreißig verschiedene Weinsorten sind bekannt, der dunkle und süße Ismarikos aus Thrakien, die vollmundigen Weine aus Kreta, die exzellenten Weine von Chios und Lesbos. Fast immer hat er an die 18 Prozent Alkohol. Kein Wunder, dass die Griechen ihn meistens verdünnten. Sowieso wird er bei 'symposia', also gemeinsam, getrunken (Was aber wohl nicht heißt, dass man dann weniger trank, oder?).

So streifen die Autoren dieses neuen, opulent bebilderten Handbuchs alle möglichen Aspekte des griechischen Alltagslebens. Sie lassen nichts aus, was von Interesse sein könnte: Spiel und Theater, Arbeit und Handel, Land und Reisen, Armee und Krieg, Wohnung und Komfort, Nahrung und Tischsitten. Allerdings: Manches kommt einem doch sehr vereinfacht vor und auch mitunter ein wenig undifferenziert. Immer wieder fragt sich der Leser, von welcher Zeit die Autoren eigentlich reden, ob die Verhältnisse in ganz Griechenland und zu allen Zeiten gleich waren, ob es nicht auch Entwicklungen gegeben hat.

Vom sprachlichen Niveau her ist es manchmal eher ein Jugendbuch als eine profunde Einführung in Alltagsleben und -kultur der griechischen Antike. Aber wie so oft haben solche Bücher dafür den nicht zu unterschätzenden Vorteil, dass die Texte ohne wissenschaftlichen Ballast auskommen, dass sie flott zu lesen und verständlich geschrieben sind, und dass sie anregen, sich mit dieser Kultur auch einmal wieder (oder überhaupt einmal) zu beschäftigen. Und das ist nicht wenig.


Titelbild

François Trassard / Sophie Royer / Catherine Salles: Leben im alten Griechenland.
Übersetzt aus dem Französischen von Isa Odenhardt-Donvez.
Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2005.
192 Seiten, 29,90 EUR.
ISBN-10: 3806219605

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch