Nomaden der Wissenschaften

Gender Studies denken quer und verändern die Strukturen zwischen den Disziplinen

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit einiger Zeit gewinnt die Debatte um Inter- und Transdisziplinarität an Bedeutung. Besonders gepflegt wird sie von den Gender Studies. Mit Heike Kahlert, Barbara Thiessen und Ines Weller haben nun eine Sozialwissenschaftlerin, eine Sozialpädagogin und eine Chemikerin einen Sammelband zum Thema vorgelegt. Er fußt auf einer Tagung, die 2003 anlässlich des fünfjährigen Bestehens des "Zentrums für feministische Studien, Frauenstudien - Gender Studies" an der Universität Bremen stattfand. Dreizehn Autorinnen nehmen eine Bestandsaufnahme der bisherigen Diskussion vor. Ein "zentrales Charakteristikum" von Inter- und Transdisziplinarität, erklären die Herausgeberinnen, sei "Partizipation, verstanden als kritische Frage nach den In- und Exklusionsmechanismen von wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Prozessen".

Der Band ist in zwei Teile gegliedert. Zunächst werden aus wissenschaftstheoretischer Perspektive Multi-, Inter-, Trans-, Post-, und Disziplinarität der Gender Studies, sowie die zu ihnen in der Frauen- und Geschlechterforschung vertretenen Positionen mit ihren verschiedenen "Modi der Wissensgenerierung" in den Blick genommen. Priska Gisler etwa erörtert "Institutionalisierung und Kontextualisierung transdisziplinärer Geschlechterforschung", während Susanne Baer "Transdisziplinäre[r] Kompetenz als Schlüsselqualifikation in Wissensgesellschaften" nachgeht. Von besonderem Interesse ist hier Kahlerts mehr als nur einführender Aufsatz über die Positionen der Frauen- und Geschlechterforschung zur "Wissenschaftsentwicklung durch Inter- und Transdisziplinarität", in dem sie drei "idealtypische Positionen" der Frauen- und Geschlechterforschung vorstellt und analysiert: die "disziplinär integrierte", die "autonome Disziplin" und die sich "nomadisch" zwischen den Disziplinen bewegende. Kahlert selbst präferiert letztere, wofür sie einige gute Gründe vorzubringen hat.

Der zweite Teil, "Inter- und Transdisziplinarität der Gender Studies in Lehre, Studium und Beruf", gilt curricularen Konzepten und Fragen der Kompetenzentwicklung angesichts der gegenwärtigen Studienstrukturreform. Doch auch der erste Beitrag dieses zweiten Teils befasst sich mit "definitorische[n] Klärungen und wissenschaftstheoretischen Überlegungen". Andrea Maihofer hat ihn verfasst. In ihm kommt das zusammen, was den Band insgesamt auszeichnet: Die Engführung von Forschung - bzw. Wissenschaftstheorie - und Lehre mit der Bedeutung, die beiden für spätere berufliche Handlungskompetenzen der Studierenden zukommt.


Titelbild

Heike Kahlert / B. Thiessen / I. Weller (Hg.): Quer denken, Strukturen verändern. Gender Studies zwischen den Disziplinen.
VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2005.
312 Seiten, 39,00 EUR.
ISBN-10: 3531145223

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