Im Paradiesgarten der bitteren Früchte

Monika Zgustová über Leben und Werk des Bohumil Hrabal

Von Katharina IskandarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Katharina Iskandar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Selten gibt es Menschen, die sich in das Leben anderer hineinversetzen können. Und noch seltener gibt es Menschen, die aus dem Leben anderer erzählen können. Menschen eben, die in einer so authentischen Form die Geschichte eines anderen offenbaren, als hätten sie sie selbst erlebt. Monika Zgustová tut dies in ihrer Biografie "Im Paradiesgarten der bitteren Früchte", in der sie aus dem Leben des tschechischen Schriftstellers Bohumil Hrabal erzählt: poetisch, humorvoll, liebenswürdig - wie Hrabal selbst seine Geschichten verfasst hat.

Der 1914 in Brünn geborene Schriftsteller zählt heute zu den bedeutendsten Autoren der tschechischen Republik. Zahlreiche Preise bekam er für seine Romane, die geprägt waren von Menschen, denen Hrabal in seinem Leben begegnet ist, sowie von dem kommunistischen Regime in seinem Land. 1993 wurde er mit dem bedeutenden Jaroslav-Seifert-Preis ausgezeichnet, was ihm endgültig internationalen Ruhm einbrachte. 1997 starb er in einem Prager Hospital, nachdem er beim Taubenfüttern aus dem Fenster seines Krankenzimmers stürzte.

Monika Zgustová zeigt sich als genaue Beobachterin. Anschaulich skizziert sie jeden Abschnitt von Hrabals bewegtem Leben und lässt den Leser förmlich spüren, wie intensiv sie sich mit dem tschechischen Schriftsteller befasst hat. Vertraut mit dem Wesen Hrabals springt sie in seiner Gedankenwelt hin und her und wirkt dabei wie ein Pianist, der virtuos über die Tasten gleitet. Sie vermittelt Einblick in seinen oft sehr schwer durchschaubaren Charakter, der von großer Launenhaftigkeit geprägt war. Die Bücher selbst werden immer wieder in passenden Fragmenten zitiert. Nicht zuletzt durch ihre 10-jährige Zusammenarbeit mit ihm, die bis zu seinem Tod andauerte, und in der sie zwölf seiner Bücher vom Tschechischen ins Spanische übersetzt hat, ist eine Biographie entstanden, die sich vor allem an jene zu richten scheint, die Hrabal mit seinen Büchern ansprechen will: Menschen mit Sinn für die Schönheiten des Lebens.

Einfühlsam erzählt Zgustová Anekdoten aus Hrabals Kindheit im tschechischen Nymburk, aus seiner Studienzeit an der juristischen Fakultät der Prager Karls-Universität und schließlich auch von seinen ersten Erfolgen als Schriftsteller. Vor allem aber konzentriert sie sich auf Episoden seines Lebens, die sich mit seinen Werken besonders gut in Verbindung bringen lassen. "Seine Literatur war in herrlicher Prosa verfasst, bestimmt vom Leben der Menschen, die er kannte, und von der Umgebung, in der er lebte... und es war eine Literatur, die vor allem sein eigenes Leben beschrieb".

Doch die Autorin, die mit diesem Werk ein für sie völlig neues Genre der Literatur betreten hat, zeigt Hrabal nicht nur von der positiven Seite. In einem Abschnitt über die politische Situation in der damaligen Tschechoslowakei nach dem Scheitern des Prager Frühlings kritisiert sie seinen geringen Widerstand gegen die Regierung des damaligen Staatspräsidenten Husák. Während sie bisher nur Worte der Begeisterung für Hrabals Werke fand, die in den Jahren vor der 68-er Revolution noch weitestgehend regimekritisch verfasst waren, beschreibt sie ihn später als Träumer, der mit einer unglaublichen Unbekümmertheit durch die politische Landschaft lief. Dabei geht sie auch auf die noch heute umstrittene Frage ein, ob sich Hrabal in den siebziger Jahren tatsächlich entgegen seiner politischen Auffassung an die Kommunisten verkauft hat, um dem Schreibverbot zu entgehen. Vor dem Hintergrund dieser schwierigen Situation erklärt Zgustová Hrabals Künstlerleben zum Beispiel für viele andere Künstlerbiografien in der tschechischen Republik.

Hrabal selbst sagt über sein Leben als Schriftsteller: "Das Schreiben ist ein Segen für mich, so wie die Katholiken in der Beichte und die Juden an der Klagemauer ihr Heil finden. Unsere Vorfahren beruhigten ihr Gewissen, wenn sie ihre Befürchtungen, Geheimnisse und Ängste einer alten stummen Weide erzählten, und die Patienten Freuds heilten ihre wunde Seele, indem sie ihren Assoziationen freien Lauf ließen..." So weiß auch der Leser nach fast 400 Seiten im "Paradiesgarten der bitteren Früchte", wie Hrabal sein Leben meisterte: Indem er schrieb.

Titelbild

Monika Zgustova: Im Paradiesgarten der bitteren Früchte. Bohumil Hrabal. Leben und Werk.
Deuticke Verlag, München 1999.
400 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3216304329

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