Das Konzentrationslager als Dantes Inferno

Thomas Taterkas Studien zur Lagerliteratur

Von Heike BüsingRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heike Büsing

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Dante Deutsch" - hinter dem opaken Titel verbirgt sich eine umfassende Auseinandersetzung mit europäischer und amerikanischer Literatur zu den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Im Mittelpunkt der Untersuchung von Thomas Taterka stehen dabei nicht einzelne Texte, sondern die überindividuelle "Rede über das Konzentrationslager".

Den Zugang zur Untersuchung des Lagerdiskurses findet Taterka am Beispiel des zunächst vagen Begriffs der Hölle und des literarischen Zeichens der Göttlichen Komödie Dantes. "Hölle" und "Dantesches Inferno" wurden - wie Taterka in seiner Arbeit eindrücklich belegt - von den Verfassern der Lagerliteratur immer wieder als Metaphern für die Schrecken der Konzentrationslager verwendet. Im Zentrum der Ausführungen steht das Problem der sprachlichen Repräsentation: Das Unaussprechliche kann von den Autoren der Lagerliteratur nicht mit eigenen Worten, sondern nur mit solchen vorgegebenen Bildern wiedergegeben werden.

Taterka setzt sich darüber hinaus kritisch mit bisherigen Äußerungen über die "Höllen-Metaphorik" auseinander: So entkräftet er unter anderem Aussagen von Martin Walser zum Frankfurter Auschwitz-Prozess, in denen sich der Autor über den von Journalisten verwendeten Begriff der "Hölle" empört. Taterka verweist hier auf die häufig von Betroffenen selbst verwendete Metaphorik, die durchaus dazu berechtige, diese Begrifflichkeiten in der Berichterstattung über die Schicksale in den nationalsozialistischen Konzentrationslagern zu verwenden.

Mag der Titel "Dante Deutsch" zunächst einmal für Verwirrung sorgen, so erscheint er im Verlauf der Abhandlung, die oftmals durch unglücklich gewählte Formulierungen und verquere Satzstellungen beeinträchtigt wird, immer mehr als gelungene Bezeichnung für den Gegenstand der Untersuchung. Der Zusammenhang zwischen "Dante" und "Deutsch" offenbart sich im Rückgriff auf bestehende Vorstellungen vom unermesslich Schrecklichen: Dort, wo die Sprache versagt, kann der Welt der Konzentrationslager nur noch in Anlehnung an Vorstellungen von der Hölle Ausdruck verliehen werden. Mit dem gewählten Zugriff gelingt es Taterka exemplarisch, die vielstimmige "Rede über das Konzentrationslager" - wenn auch nur in Auszügen - eindrucksvoll zu charakterisieren.

Kein Bild

Thomas Taterka: Dante Deutsch. Studien zur Lagerliteratur.
Erich Schmidt Verlag, Berlin 1999.
226 Seiten, 39,90 EUR.
ISBN-10: 3503049118

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch