Die letzten zwanzig Jahre der CSSR

Von Gustáv Husáks "Normalisierung" bis zur "samtenen Revolution": Beata Blehova untersucht einen unaufhaltsamen Verfall

Von Volker StrebelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Volker Strebel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die vorliegende Arbeit, 2004 an der Universität Wien als Dissertation eingereicht, hat sich zur Aufgabe gemacht, den (Ver-)Fall des "real existierenden Sozialismus" in der Tschechoslowakei zu untersuchen. Als Zeitspanne wählt die Autorin jene zwanzig Jahre, die zwischen dem niedergeschlagenen Ende des "Prager Frühlings" vom 21. August 1968 und der "samtenen Revolution" im Herbst 1989 liegen. Für diese Anordnung belegt sie sowohl anhand der politischen Bewegungen des Regimes der so genannten "Normalisierung" als auch bis hin zu zahlreichen Gruppierungen und Figuren in der verbotenen oppositionellen Szene, dass die Invasion der Warschauer-Pakt Staaten im August 1968 den Sozialismus nicht retteten, sondern Schritt für Schritt demontierten. Die politisch angepasste Ausrichtung der "Normalisierer" unter der Führung des ehrgeizigen Gustáv Husák stabilisierte das Regime im bleiernen Windschatten des ideologisch geteilten Europas. Der Preis war ein weitgehender gesellschaftspolitischer und kultureller Stillstand, die Bevölkerung identifizierte sich kaum mit dem Regime, geschweige dessen Ideologie.

Kritisch beleuchtet Beata Blehova das "Moskauer Diktat" vom 26. August 1968 und die schrittweise Zurückdrängung der Reformer unter Alexander Dubcek und überzeugt mit ihrer Unterteilung der reformerischen Roll-Back-Politik des Gustáv Husák von einer "weichen" in eine "harte" "Normalisierung" der 70er und 80er Jahre.

Einen besonderen Wert stellen ihre Porträts verschiedener Oppositionsgruppen dar. Während die Bürgerrechtsbewegung "Charta 77" im Westen über einen relativ hohen Bekanntheitsgrad verfügte, waren bislang wenig Informationen über die "Bewegung für die bürgerliche Freiheit" oder den "Klub Obroda", einer Vereinigung ehemaliger Reformkommunisten zu erhalten. Einen besonderen Augenmerk widmet die Autorin dem slowakischen Landesteil der CSSR. Auch hier liefert sie bislang kaum bekannte Informationen über verschiedene slowakische oppositionelle Bewegungen und analysiert die immer wieder diskutierte Tatsache, dass in der Slowakei lediglich eine Handvoll Intellektueller die "Charta 77" unterschrieben hatte. Die Schilderung der besonderen Rolle der katholischen Kirche und vor allem des polnischen Papstes Johannes Paul II. im Wechselspiel mit dem kommunistischen Regime nimmt bei Beata Blehova einen auffallend großen Raum ein.

Ein zweiter Teil dieser Studie beleuchtet jenen Anteil an der Zerbröselung des realen Sozialismus, der von außen herangetragen wurde. Eine besondere, wenngleich auch widersprüchliche Rolle hatten hierbei Michail Gorbatschows "Perestroika" und "Glasnost"-Programme eingenommen. Anhand von zum Teil bislang unveröffentlichten Mitschriften und Protokollen, aber auch von Memoiren und persönlichen Gesprächen zeigt Blehova Gorbatschows unfreiwillige Antinomie im politischen Verhalten gegenüber den Normalisierungspolitikern auf. Einerseits sollten Kritik und Diskussion zugelassen werden, andererseits war Gorbatschow aus bestimmten Gründen nicht in der Lage, sich klar zu Dubceks Reformpolitik zu bekennen.

Auch im bislang kaum aufgearbeiteten internen Gerangel um den Rücktritt von Gustáv Husák am 17. Dezember 1987 scheint die Moskauer Zentrale eine unglückliche Rolle eingenommen zu haben, was allerdings aufgrund der völlig verfahrenen Situation einer komplett diskreditierten KSC auch kaum anders sein konnte. Selbst Husák hatte seinen Nachfolger Miloš Jakeš offenbar noch als geringeres Übel dem völlig verknöcherten Vasil Bilak vorgezogen. Beata Blehova gelingt es auch hier, relativ übersichtlich und klar strukturiert die widersprüchliche innerparteiliche Situation der tschechoslowakischen Kommunisten anhand exklusiver Dokumente darzulegen. Die Schlussphase ihrer Untersuchung umspannt die Zeit vom 17. November bis zum 31. Dezember 1989 - die "samtene Revolution" bis zur Wahl des neuen, nichtkommunistischen Staatspräsidenten Václav Havel.

Diese Arbeit birgt vor allem aufgrund der ausgewerteten Archive neue und wertvolle Hintergrundinformation. Sie demontiert sich allerdings, und das muss kritisch angemerkt werden, durch eine schludrige Sprache und unzählige Rechtschreibfehler, von denen keine einzige Seite verschont ist. Hier hätte ein minimaler Aufwand Abhilfe mit großer Wirkung erzielen können. Die Arbeit und nicht zuletzt ihre Autorin hätten es verdient.


Titelbild

Beata Blehova: Der Fall des Kommunismus in der Tschechoslowakei.
LIT Verlag, Wien 2006.
259 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3825886646

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