Grausame Entdeckung

Arnold Stadlers Dreiecksgeschichte "Ein hinreißender Schrotthändler"

Von Monika PapenfußRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Papenfuß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eine willkommene Abwechslung für die bereits fünfundzwanzig Jahre ohne bemerkenswerte Höhen und Tiefen vor sich hindümpelnde Ehe verspricht die hinreißende Erscheinung zu sein, die eines Tages in der Tür des Heimes eines frühpensionierten Geschichtslehrers und seiner Gattin Gabi steht und nach Altautos zum Ausschlachten fragt. Schrott findet sich natürlich nirgends in dieser gepflegten, geordneten und bis in den letzten Winkel durchgestylten Welt des kinderlosen Paares. Der aus dem Nichts auftauchende "hinreißende" Schrotthändler erscheint ihm dennoch zunächst wie ein Geschenk des Himmels. Dass Adrian sich schon schnell als kaltblütiger, ja krimineller Schmarotzer herausstellt, hindert die beiden nicht, um seine Liebe zu buhlen, ihn mit gehörigem Besitzerstolz in den gleichermaßen luxusverwöhnten wie hohlen Freundeskreis einzuführen, ihn schließlich zu adoptieren, um ihn ganz an sich zu binden.

Diese groteske, jedoch amüsant beginnende Dreiecksgeschichte Arnold Stadlers, bei der zunächst niemand genau zu wissen scheint, wer eigentlich wen liebt, endet mit der Katastrophe - oder ist es vielleicht keine? Denn was am Ende zerbricht, ist doch nur eine Ehe, fast normal für diese laut Stadler "krisengeschüttelte Branche". Normal vielleicht gerade auch für die Kreise, in die Adrian eindringt: die gehobene Mittelschicht, die zwischen Kosmetik- und Shopping-Terminen, Rolf- Benz-Möbeln und Party-Gewäsch ihre innere Leere zu übertünchen sucht.

Stadler entlarvt die Hohlheit dieser Ehe und des sich herum rankenden Beziehungsgeflechts mit dem ihm eigenen, witzigen und ironischen Ton. Durch die grotesken Züge der Handlung wird das scheinbar Normale der Lächerlichkeit preisgegeben. Das eigentlich Tragische der Erzählung verbirgt sich in der grausamen Entdeckung des verlassenen Ehemanns, dass auch die in seiner Fantasie als Gegenpol aufgebaute heile Welt seiner Kindheit auf dem Dorfe sich in der Realität als Illusion entpuppt und seinem Leben in der Stadt täuschend ähnelt.

Ein urkomisches und dabei so trauriges, ein unbedingt lesenswertes Buch. Dabei ist es ganz unwichtig, wie hoch der autobiografische Anteil ist, den beflissene Kritiker immer wieder betonen. Dass Stadler in Meßkirch geboren ist, gelegen in der Nähe des oberschwäbischen Heimatdorfes des Erzählers, und den Autor als Kenner dörflicher Strukturen ausweist, ist für das Erzählte ebenso unerheblich wie die Tatsache, dass der Erzähler und seine Frau in Köln leben, wo Stadler - neben Studien der Theologie in Rom und München - einen Teil seines Germanistikstudiums absolvierte. Wichtig sind vielmehr die genauen Beobachtungen, die er in beiden Welten macht und die er mit sprachlicher Treffsicherheit zu gestalten vermag. Hierfür wurde Stadler zu Recht mit dem Georg- Büchner-Preis des Jahres 1999 ausgezeichnet.

Titelbild

Arnold Stadler: Ein hinreißender Schrotthändler. Roman.
DuMont Buchverlag, Köln 1999.
237 Seiten, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3770149599

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