Köln und die Anderen

Das "Kölnbuch" ist eine lesenswerte Anthologie über die Fast-Metropole am Rhein

Von Anno BechteRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anno Bechte

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Schon das Bild auf dem Einband macht stutzig - und schärft den Blick. Man fragt sich: Was wird gezeigt? Der Zugang zu einer U-Bahn-Station? Eine Fotomontage? Ein Ausschnitt aus einer Installation? Wie man es auch dreht und wendet: Das Cover bleibt unklar - und liefert derart einen gelungenen Einstieg in das, was den Leser zwischen den Deckeln erwartet, geht es doch um die Frage: Wie Köln verstehen?

Thematisch kreisen die insgesamt 27 Texte dieses schmalen, ansprechend schlicht gestalteten Buchs um den Gegensatz, der zwischen dem Mythos Köln und seiner realen Gestalt besteht; zwischen Köln als angesagter Medien- und Musikmetropole und seinen Schattenseiten: der großformatigen Provinzialität, baulichen Tristesse und kleingeistigen Spießigkeit, welche nur unzureichend überdeckt wird von der Jovialität und berüchtigten Toleranz seiner (Ur-)Einwohner.

Beiträge wie "In der Spasshölle" von Christian Y. Schmidt oder "Wanderer, kommst Du nach Kö..." von Jule Witte zeichnen in diesem Kontext ein ausnahmslos negatives Bild der Stadt. Während ersterer einen Abgesang auf die in Köln florierende Medienbranche - ihren Größenwahn und ihre Oberflächlichkeit - darstellt, ist es Witte daran gelegen, die betongraue Monotonie der Metropole zu bemängeln: 'Köln? Das ist kein Ort zum leben!' - so scheint es. Doch enthält der Band auch Erzählungen, die ein versöhnliches Verhältnis zur Stadt eröffnen. Und es ist kein Zufall, dass dies vor allem bei den Autoren der Fall ist, die selbst einmal für längere Zeit in Köln gelebt haben oder immer noch dort wohnen. Erstaunlich ist hier besonders die Gemeinsamkeit, welche die einzelnen Beiträge verbindet. Sie besteht darin, dass das positive Verhältnis zur Stadt in der Bejahung des großen Aber gründet, das sich allen Vorzügen Kölns problemlos anschließen lässt. Köln, das ist ein gefühltes Ganzes, das nicht zusammenpasst, ein heterogenes Kontinuum, wie es ein zerbrochenes Kaleidoskop bietet, das Heiles und Kaputtes wie selbstverständlich aneinanderfügt und durch das zu schauen eher einem gebannten Aushalten als einem entzückten Staunen gleichkommt. In den besten Momenten dieser Anthologie - so beispielsweise in den Texten von Sonja Eismann, René Hamann, Olaf Möller oder Tom Holert - tritt offen zutage, wieso es für die Stadt und ihre Bewohner zwischen den Gefühlszuständen 'himmelhochjauchzend' und 'zu Tode betrübt' keine Alternative zu geben scheint.

Köln zu lieben, das bedeutet, die Gegensätze zwischen Zollstock und dem Belgischen Viertel, Karneval und Art Cologne, der Minigolfanlage in Zündorf und dem bunten Treiben am Aachener Weiher nebeneinander bestehen zu lassen und sich derart dem selbstgefälligen Modus des In-Sich-Ruhens dieser Stadt anzuschließen. Dass es dazu vor allem eines hohen Maßes an Ironie und einer gehörigen Portion stoischer Selbstzufriedenheit bedarf, steht fest - man kann es nachlesen in diesem Buch.


Titelbild

Jörg Sundermeier / Claudia Honecker (Hg.): Kölnbuch. Anthologie.
Verbrecher Verlag, Berlin 2005.
224 Seiten, 13,00 EUR.
ISBN-10: 3935843542

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