Kurskorrektur

Peter Franke liest Caroline Alexanders Verteidigung William Blighs: "Die Bounty"

Von Petra PortoRSS-Newsfeed neuer Artikel von Petra Porto

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Geschichte, die am 28. April 1789 bei Sonnenaufgang auf der HMS Bounty ihren Anfang nimmt, glauben wir alle hinlänglich zu kennen: Sich endlich gegen die Schikanen des Kapitäns wehrend, die Mannschaft vor einem fanatischen Leuteschinder rettend, der gerne auch einmal die Wasserration seiner Männer zugunsten der Bewässerung der zu befördernden Brotfruchtbaumsetzlinge reduziert und willkürlich schlimmste Strafen verhängt, zettelt der junge Christian Fletcher eine Meuterei auf dem Schiff an. Er zwingt seinen Kapitän William Bligh und achtzehn Uneinsichtige unter Waffengewalt in ein kleines Boot, reicht Bligh Kompass, Sextant und Logbuch und liefert ihn und seine Getreuen dann der See und seinem Schicksal aus.

Christian Fletcher und seine Männer dagegen segeln - befreit von dem sadistischen Kapitän und dessen allzu strenger Zucht - zu den Stränden (und Frauen) Tahitis zurück, wo sie Mitglieder der Crew bei den Inselbewohnern zurücklassen, bevor sie sich zusammen mit einigen Eingeborenen auf die Pitcairn Islands zurückziehen. Auf Pitcairn starten sie hoffnungsfroh den Versuch, ein neues Paradies zu erschaffen.

Kapitän Bligh jedoch gelingt es, seine Barkasse auf einer 48-Tage-Reise bis zur Insel Timor zu dirigieren und von dort aus seine Vorgesetzten von der Meuterei zu unterrichten - woraufhin die Admiralität sofort mit der Verfolgung der abtrünnig gewordenen Seeleute beginnt.

Vierzehn der auf Tahiti zurückgelassenen Männer werden 1791 gefangen gesetzt, vier von ihnen sterben auf dem Weg nach England, zehn werden wegen Meuterei angeklagt; vier werden freigesprochen, sechs verurteilt, drei davon gehängt, die anderen drei begnadigt.

Einer der drei Glücklichen war Peter Heywood. Und Caroline Alexander erzählt in "Die Bounty" vor allem seine Geschichte. Der junge Mann hatte gute Beziehungen und den festen Willen, nach seiner Rückkehr nach England erneut eine Karriere in der Navy zu beginnen. Um diese nicht zu gefährden, so Alexander, musste er seine eigene Rolle während der Meuterei herunterspielen: Daher wurde einer der Zeugen im Prozess gegen den Fähnrich bestochen, für Heywood auszusagen - und der junge Mann begann, Bligh systematisch zu verleumden, um seine eigene Teilnahme an der Meuterei nachvollziehbar zu machen.

Caroline Alexander hat sich nun aufgemacht, die Geschichte der Meuterei auf der Bounty wiederum umzuschreiben und Kapitän Bligh dabei endlich späte Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Mithilfe historischer Dokumente - den Akten über die Fahrt der Bounty, Gerichtsprotokollen, Logbüchern, Memoiren, Pamphleten und Briefen - rekonstruiert sie die "wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty". Dabei lässt die Autorin gelegentlich auch Widersprüchliches unaufgelöst stehen, neigt jedoch generell eher dazu, Blighs 'Ehre' wiederherstellen zu wollen: "Bligh wurde das Opfer einer ausgeklügelten Kampagne, die die Familien der Meuterer mit Hilfe eines Anwalts und der Presse lancierten." Aus dem pflichtbewussten, sich um Schiff und Mannschaft kümmernden Kapitän Bligh, so Alexander, wurde erst im Nachhinein, durch das Erzählen der immergleichen - nämlich Heywoods geschönter - Geschichte ein Tyrann, der sich durch harsche Strafmaßnahmen unbeliebt machte, und aus der eigentlich beinahe unmotivierten Meuterei fast so etwas wie Notwehr.

Wo aber liegt die Wahrheit? Der unzufriedene Steuermannsmaat Christian, der sich mit Bligh wegen des (vermeintlichen) Diebstahls einiger Kokosnüsse gestritten hatte und offenbar eine körperliche Bestrafung fürchtete, habe sich nach einer Nacht mit wenig Schlaf und umso mehr Alkohol zu einer Kurzschlusshandlung hinreißen lassen, so Alexander. Die romantische Geschichte des einsamen Helden reduziert sich beinahe auf ein Missverständnis: "Was war der Grund für die Meuterei auf der Bounty? Die Verlockungen Tahitis, Blighs schroffe Sprache - vielleicht. Wohl eher aber eine durchzechte Nacht und der Stolz eines stolzen Mannes, ein schwacher Moment in einer einzigen grauen Morgenstunde, ein momentanes, verhängnisvolles Versagen der Selbstdisziplin eines Gentleman - und dann die Fülle der Folgen, an denen man sein Leben lang zu tragen hat."

Der Schauspieler Peter Franke trägt seinen Text - dessen eher dokumentarischen Stil gerecht werdend - auf sechs CDs unaufgeregt und ruhig vor und liefert dabei eine hervorragende Leistung ab: Mehr als vierzig Rollen hat er zu sprechen, deren Sprachnuancen er fabelhaft darstellt. Dabei verlangt das Zuhören dem Leser allerdings auch einiges an Eigenleistung ab: Will er nicht die Orientierung zwischen all den Orten und Figuren verlieren, tut ein gelegentlicher Blick ins Booklet Not, das eine Aufstellung der am Prozess beteiligten Personen bietet.

Die Musik - "La Paloma" und "Lagrima" von F. Tárrega - tut dann ihr Übriges dazu, um aus dem Ausflug in die Karibik eine stimmungsvolle Reise zu machen.


Titelbild

Caroline Alexander: Die Bounty. Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty. 6 CDs.
Jumbo Verlag, Hamburg 2004.
394 Minuten, 29,80 EUR.
ISBN-10: 3833711507

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch