Biermanns Vertreibung

Anmerkungen zu einem aktuellen Fall (1976)

Von Marcel Reich-RanickiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Reich-Ranicki

Sie waren elf Jahre in einem Clinch: die DDR und ihr treuer, wenn auch unbequemer und aufsässiger Sohn, der Poet und Sänger Wolf Biermann. Und jetzt, da der Kampf zwischen den beiden ungleichen Partnern wenn auch gewiss nicht beendet ist, so doch nur noch unter ganz anderen Vorzeichen stattfinden kann, wissen wir es: Hier gibt es keine Sieger, hier gibt es nur Verlierer.

Unterlegen ist zunächst und vor allem jener andere deutsche Staat: Die vom „antifaschistischen Schutzwall“ umgebene Bastion des Friedens, der erste Arbeiter-und-Bauern-Staat auf deutschem Boden, die Deutsche Demokratische Republik sah sich genötigt, vor dem Dichter und Kommunisten Biermann die Waffen zu strecken. Denn die Ausbürgerung Biermanns, dem man nach elf Jahren eine Gastspielreise in die Bundesrepublik offenbar nur genehmigt hat, um ihm die Rückkehr unmöglich zu machen, ist eine Kapitulation der DDR und eine schmähliche obendrein : Nur mit einer List und mit Gewalt konnte sich die DDR ihres stummen Kritikers Biermann, den zu ertragen dieser Staat zu schwach war, entledigen.

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