Die Orgien des Philip Roth

Mit dem Roman „Anatomiestunde“ und einem „Epilog“ ist der Zuckerman-Zyklus abgeschlossen (1987)

Von Marcel Reich-RanickiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Reich-Ranicki

Seit es ihm gelungen ist, mit dem satirischen Roman „Portnoys Beschwerden“ (1969) weltberühmt zu werden und auch in den deutschsprachigen Ländern viele Leser zu finden, gilt Philip Roth als einer der populärsten Vertreter der zeitgenössischen Prosa. Schon damals konnte es uns nicht entgehen, daß dieser hochintelligente, wenn auch nur auf bedingt sympathische Art geschickte und gewitzte Autor die Kunst, einen Bestseller zu präparieren, beinahe perfekt zu üben weiß.

Seine späteren Bücher, zumal jene, die mir seine besten scheinen („Professor der Begierde“, 1977, und „Zuckermans Befreiung“, 1982), ließen erkennen, daß seine Routine bisweilen in Virtuosität übergeht und daß diese Virtuosität sehr wohl imstande ist, uns mit der Oberflächlichkeit und der Geschmacksunsicherheit von Philip Roth wenigstens zeitweise zu versöhnen. Allerdings mochten die Bewunderer seines Talents ungern zugeben, daß der außergewöhnliche Erfolg dieses Erzählers mit einem Umstand zusammenhängt, der ihnen etwas peinlich ist: Philip Roth gehört nicht zu den ungemütlichen und anstrengenden Schriftstellern, die auf der Suche nach neuen und daher nicht sogleich zugänglichen Ausdrucksmitteln der Kunst sind. Ohne das ästhetische Risiko völlig zu scheuen, bevorzugt er vielmehr ausgetretene Pfade und verläßt sich in der Regel auf zwar simpel anmutende, doch effektvolle und auch pfiffige Dialoge, vor allem aber auf den zwanglosen Plauderduktus.

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