I.8.4 Buchhandel

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8.4 Buchhandel

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Markttendenzen

Der Buchmarkt und die Geschäftsbeziehungen innerhalb des Buchhandels befinden sich im Wandel. Das Entstehen der sogenannten ›Informations- und Mediengesellschaft‹, maßgeblich gekennzeichnet durch schnelle technologische Entwicklungen und veränderte Konsumgewohnheiten, zwingen auch buchhändlerische Unternehmen zunehmend zur Neubestimmung ihres Tätigkeitsfelds, ihrer Kompetenzen und ihrer künftigen Märkte. Dies führt zu einem sukzessiven Aufbrechen traditioneller Strukturen – innerhalb der Unternehmen, im Verhältnis der Wirtschaftsstufen zueinander und im Kontakt zu den Endabnehmern.

Als ein grundlegender Trend wird häufig der Wandel vom Verkäufer- zum Käufermarkt angesehen (vgl. u. a. Bramann/Hoffmann 2004, 17 f.). Die Vervielfältigung der Optionen für den Käufer, der dank größerer Mobilität bequem mehrere Sortimentsbuchhandlungen erreichen kann, der die Möglichkeit hat, sich im Internet über das Buchangebot zu informieren und nicht zuletzt dort seinen Bedarf zu bestellen, führt zu einer Stärkung seiner Position gegenüber den Anbietern, für die es immer schwieriger wird, einen festen Kundenstamm an sich zu binden. Hinzu kommt die Schnelllebigkeit des Marktes (vgl. Lucius 2005, 59 f.), die sich u. a. durch eine immer kürzer werdende Nachfragedauer hinsichtlich von Neuerscheinungen bemerkbar macht.

Der Konkurrenzdruck innerhalb des in den letzten Jahren – bezogen auf die erzielten Umsätze – weitgehend stagnierenden Marktes wächst und wird durch einen heftigen Verdrängungswettbewerb sichtbar. Im Bereich des Bucheinzelhandels sinkt die Zahl der am Markt beteiligten Firmen erheblich. Insbesondere in den 1a-Lagen von Großstädten prägen Filialisten mit großen Verkaufsflächen das buchhändlerische Angebot. Der Erfolg dieser Firmenketten begründet sich einerseits durch die Bündelung vieler Unternehmensabläufe einschließlich des Warenbezugs, andererseits bedienen diese ›Buchkaufhäuser‹ in hohem Maße die Kaufgewohnheiten des Großteils der potenziellen Kunden. Auch im Verlagsbuchhandel erfolgt ein intensiver Konzentrationsprozess, wenngleich er mit Blick auf die Firmenzahlen weniger deutlich scheint. Die meisten aufgekauften Verlagsnamen bleiben erhalten und suggerieren eine Unternehmensvielfalt, die es in dieser Form nicht mehr gibt. Dennoch sinkt die Gesamtzahl der Verlage nur langsam; der hohe Konzentrationsgrad wirkt sich vor allem auf die stark differierenden Umsatzanteile aus – ca. 5 % der Verlage erzielen etwa 85 % des Gesamtumsatzes.

Eine Schlüsselfunktion im deutschen Buchmarkt haben die Barsortimente. Hier agieren nur wenige Anbieter, die Firmenkonzentration in dieser Betriebsform ist seit dem frühen 20. Jh. sehr hoch. Für die hier tätigen Firmen geht es aus unternehmensstrategischer Sicht neben dem Wettbewerb untereinander vor allem darum, den Anteil des vom Bucheinzelhandel über die Barsortimente realisierten Warenbezugs zu erhöhen. Diese Funktionsverschiebung zugunsten der Barsortimente ist seit einigen Jahren ein spürbarer Trend, wenngleich der Direktbezug über Verlage bzw. Verlagsauslieferung noch klar überwiegt. Eine weitere Strategie der Barsortimente besteht in der Erweiterung des Dienstleistungsspektrums. So werden Bucheinzelhandlungen sogenannte ›Partnermodelle‹ für den Bereich des E-Commerce angeboten, bei denen die Barsortimente umfangreiche Serviceleistungen bis hin zur Belieferung der Endabnehmer anbieten.

Ein weiterer Trend lässt sich für den Bereich der Unternehmensführung konstatieren. Bereits seit mehreren Jahrzehnten ist die Zahl der von Inhabern geführten Firmen rückläufig; Managementunternehmen bestimmen zunehmend das Bild auch der Buchbranche. Verbunden ist damit vielfach eine effizientere Nutzung moderner betriebswirtschaftlicher Strategien. Dazu zählt die Anwendung eines über alle Unternehmensbereiche reichenden Controlling, häufig mit dem Ergebnis, dass Teile von bislang firmenintern realisierten Arbeitsabläufen auf dem Wege des Outsourcing an externe Dienstleister vergeben werden. Hinsichtlich der Gewichtung einzelner unternehmerischer Aufgaben ist eine Aufwertung der Marketingaktivitäten zu beobachten. Auch dies ist ein Effekt moderner Unternehmensführung und zugleich eine Reaktion auf den gewachsenen Konkurrenzdruck. Gleiches gilt für die Profilierung der buchhändlerischen Unternehmen in Bezug auf ihre Vertriebskanäle. Insbesondere die Firmen des Bucheinzelhandels entscheiden sich im Sinne einer ›Multi- Channel-Strategie‹ für mehrere Betriebsformen, etwa indem Versandhändler auch stationäre Geschäfte eröffnen und Sortimentsbuchhandlungen über einen Internetauftritt auch Versandhandel anbieten. Letztere Option wird zunehmend auch von Verlagen genutzt und – wenn auch unter Beteiligung durch Bucheinzelhandlungen – von Bar sor timen ten.

Die veränderten Anforderungen bei der Unternehmensführung finden ihren Niederschlag in den Berufsbildern der Branche. Die Etablierung des ›Key Account Managers‹ für verschiedene Geschäftsbereiche signalisiert wiederum die branchenübergreifende betriebswirtschaftliche Orien- tierung und das Ziel, Transaktionen auf gewinnbringende Kontakte zu konzentrieren. Im Jahre 2006 wurde der Ausbildungsberuf ›Verlagskaufmann/ Verlagskauffrau‹ in ›Medienkaufmann/Medienkauffrau digital/print‹ umgewandelt. Die Branche reagiert damit auf die größere Medienkonvergenz und deren Relevanz für das Verlagswesen: »Hintergrund ist«, so der Börsenverein des Deutschen Buchhandels auf seiner Website, »die gesteigerte Bedeutung der digitalen Medien in der Verlagsbranche. Neben gedruckten Erzeugnissen treten dort vermehrt neue Medien wie Hörbücher, DVD, CD-ROMs oder auch Online- Dienstleistungen auf.« [...]

Leseprobe aus  dem Handbuch Literaturwissenschaft. Sie können den Handbuch-Artikel nach Anklicken der Zeile „Leserbrief schreiben“ rechts unten auf dieser Seite kommentieren.