Einleitung

c) Pathos, Ekstase, Schrei

Unter den zeitgenössischen Begriffen der expressionistischen Programmatik, die von poeto­logischer und stilistischer Bedeutung sind, waren die terminologisch unscharfen Schlagworte »Pathos«, »Ekstase« und »Schrei« die meistgebrauchten. Von ihrer historischen Dominanz zehrte auch die Rezeption, die ein entsprechendes Epochenbild begründete. Ein Rundfunkbeitrag von Hermann Kesser brachte es auf den Nenner: »Nicht die künstlerischen Eigenschaften waren das entscheidende Vermächtnis des Expressionismus. Das entscheidende Vermächtnis des Ex­pressionismus war sein Pathos […]«.[1] Erst die literaturwissenschaftliche Forschung hat das Stereotyp des Expressionismus als einer Zeit exaltierter O-Mensch-Pathetik, lärmender Heilsekstatik und rhetorischer Utopieverkündigung zu den Akten gelegt und die Ausdrucks­formen negativer Existenzerfahrung[2] sowie individueller und kollektiver Dissoziationser­lebnisse[3] gegen den hyperbolischen Messianismus der Hoch- und Spätphase kontrastiert. Der utopiegläubige Salvationismus und der ideologiekritische Skeptizismus sind indes zwei komplementäre Aspekte der expressionistischen Programmatik.[4]