Hyrkans Rückkehr. Mariames Bruder Aristobul auf Betreiben seiner Mutter Alexandra zum Hohenpriester ernannt. Aristobuls Ermordung. Entfremdung zwischen Herodes und Mariame

Hyrkans Rückkehr. Mariames Bruder Aristobul auf Betreiben seiner Mutter Alexandra zum Hohenpriester ernannt. Aristobuls Ermordung. Entfremdung zwischen Herodes und Mariame

(XV 2) Als Hyrkan von Herodes’ Thronbesteigung erfuhr, wünschte er sehr, nach Jerusalem zurückzukehren. Auch Herodes wünschte dies; aber nicht, wie er ihm schrieb, um seine Dankesschuld für die Lebensrettung abzutragen, sondern um ihn in seine Gewalt zu bekommen. Denn da er nicht auf rechtmäßigem Wege auf den Thron gelangt war, so fürchtete er, es könnten sonst Unruhen ausbrechen. Er bat also den Partherkönig, Hyrkan zu entlassen; und dieser erfüllte seine Bitte. Herodes empfing Hyrkan höchst ehrenvoll, räumte ihm in Versammlungen und bei Gastmählern den ersten Platz ein, nannte ihn seinen Vater und täuschte ihn so über seine wahre Gesinnung.

Als aber Herodes die Hohepriesterwürde einem Priester Ananel aus Babylon übertrug, konnte Hyrkans Tochter Alexandra diese Schmach nicht ertragen. Sie hatte nämlich ihrem Gatten Alexander Aristobulssohn zwei außergewöhnlich schöne Kinder geboren: einen jetzt sechzehnjährigen Sohn namens Aristobul und die mit Herodes vermählte Mariame; und sie geriet jetzt in gewaltige Erregung und Erbitterung darüber, daß einem Eindringling die Hohepriesterwürde zuteil werden sollte, während ein Sohn von ihr vorhanden war. Daher bat sie Kleopatra in einem Brief, den sie ihr durch einen Sänger überbringen ließ, sich bei Antonius dafür zu verwenden, daß ihrem Sohn die Hohepriesterwürde zuerkannt werde. Da Herodes fürchtete, seine Schwiegermutter könnte durch Kleopatra erreichen, daß Antonius ihn vom Throne stieße und ihren Sohn zum König machte, (3) so setzte er Ananel wieder ab, obwohl dies ungesetzlich war – denn wer einmal diese Würde erlangt hatte, der konnte ihrer nicht wieder für verlustig erklärt werden –, und machte den jungen Aristobul zum Hohenpriester. Auf diese Weise glaubte Herodes, den Familienzwist aus der Welt geschafft zu haben.

Doch hielt er an seinem Argwohn gegen Alexandra fest und ließ sie so scharf bewachen, daß sie nichts unternehmen konnte, was nicht zu seiner Kenntnis gekommen wäre. Als nun Alexandra aus Erbitterung hierüber mit ihrem Sohne Aristobul den Versuch machte, zu Kleopatra nach Ägypten zu fliehen, und gar, als am Laubhüttenfeste die ganze Volksmenge dem jungen Aristobul laut zujubelte, wie er schön und stattlich im hohenpriesterlichen Gewande zum Altar hinaufstieg, um die Opfer zu vollziehen, und in seiner äußeren Erscheinung seine vornehme Abkunft zeigte, da war für Herodes der Tod Aristobuls eine beschlossene Sache. Er wartete nur auf eine günstige Gelegenheit. Diese bot sich, als Alexandra ihn nach Jericho zu einem Gastmahl einlud. Da es an dem Orte sehr heiß war, ging Herodes mit dem jungen Manne zu den Schwimmbecken, die angenehme Kühlung gewährten. Zunächst sahen sie zu, wie einige ihrer Freunde im Wasser schwammen; als sich dann der junge Mann auf Zureden des Herodes gleichfalls unter sie mischte, tauchten ihn die Freunde des Herodes, die dieser entsprechend beauftragt hatte, während es schon dämmerte, scheinbar zum Spaß so lange unter, bis sie ihn ertränkt hatten. So kam Aristobul im blühenden Alter von noch nicht achtzehn Jahren ums Leben, nachdem er nur ein Jahr lang die Hohepriesterwürde bekleidet hatte, die nun wieder auf Ananel überging. Herodes suchte überall den Anschein zu erwecken, als ob der junge Mann durch bloße Fahrlässigkeit ums Leben gekommen sei, und veranstaltete für ihn ein überaus prächtiges Leichenbegängnis.

Alexandra aber ließ sich nicht täuschen. Oft war sie in Versuchung, sich das Leben zu nehmen; doch hielt sie davon stets der Gedanke zurück, sie könne, wenn sie am Leben bliebe, noch etwas dazu beitragen, daß ihr Sohn gerächt würde. Schließlich teilte sie Kleopatra den hinterlistigen Mord mit. Diese machte die Angelegenheit zu der ihrigen und bestürmte Antonius so lange, bis er Herodes zur Verantwortung lud. Obwohl Herodes Gefahr für sich fürchtete, beschloß er doch, da ihm nichts andres übrig blieb, dem Befehl zu gehorchen. Er vertraute seinem Schwager Josef die Verwaltung des Reiches an und befahl ihm insgeheim, er solle, wenn ihm Antonius ein Leid zufüge, sofort Mariame töten, denn er liebe sie und fürchte den Schimpf, wenn ein andrer nach seinem Tode wegen ihrer Schönheit um sie würbe. Er deutete damit auf eine Neigung des Antonius zu Mariame. Nachdem Herodes diese Anordnungen getroffen, reiste er mit großen Sorgen zu Antonius.

Josef aber, der während der Stellvertretung mit Mariame häufig Besprechungen hatte, teils weil die Regierungsgeschäfte dies verlangten, teils um der Königin die gebührende Ehre zu erweisen, erwähnte bei diesen Gelegenheiten oft Herodes’ große Liebe zu ihr. Als nun die Frauen, und besonders Alexandra, darüber lächelten, ging Josef, um ihnen zu beweisen, daß Herodes nicht ohne Mariame leben könne und auch im Tode nicht von ihr getrennt sein wolle, schließlich so weit, daß er den ihm erteilten Auftrag verriet. Die Frauen aber schlossen darauf natürlich nicht auf die heftige Liebe des Königs, sondern auf seine grausame Gesinnung.

Als dann von den Feinden des Herodes in Jerusalem das Gerücht verbreitet wurde, Herodes sei von Antonius hingerichtet worden, suchte Alexandra in der allgemeinen Aufregung Josef zu veranlassen, mit ihr und dem ganzen Hofe aus der Hofburg zu fliehen und sich unter den Schutz der römischen Legion zu stellen, die damals nahe der Stadt lagerte. Dort seien sie am sichersten; und zugleich hege sie die Hoffnung, daß, wenn Antonius Mariame gesehen habe, sie durch ihn die Herrschaft behaupten würde. Inzwischen aber traf ein Brief  des Herodes ein mit der Nachricht, es sei ihm gelungen, die volle Gunst des Antonius zurückzugewinnen, trotz der Feindschaft der Kleopatra, die, nach seinem Reiche lüstern, auf alle mögliche Weise versuche, ihn aus dem Wege zu räumen. Nun ließen sie das Vorhaben, sich unter den Schutz der Römer zu begeben, fallen. Doch blieb es Herodes nicht verborgen; denn als er nach Judäa zurückkehrte, teilten seine Schwester Salome und seine Mutter es ihm mit.

Salome beschuldigte obendrein ihren Gatten Josef des häufigen verbotenen Umgangs mit Mariame. Das aber tat sie, weil Mariame ihr und ihren Geschwistern bei Streitigkeiten öfters ihre niedere Herkunft zum Vorwurf machte. Herodes geriet über diese Mitteilungen in heftigen Zorn und vermochte seine Wut kaum zu bezwingen. Als er aber Mariame wegen ihres Verkehrs mit Josef zur Rede stellte und Mariame ihre Unschuld eidlich beteuerte, überzeugte sie ihn allmählich von der Grundlosigkeit der Anklage. Und wie es meist bei Liebenden zu geschehen pflegt, brachen sie schließlich beide in Schluchzen aus und umarmten sich innig. Als aber der König sie immer wieder seiner großen Liebe versicherte, erwiderte ihm Mariame: „Das ist aber sicher kein Zeichen großer Liebe, daß du den Befehl erteilt hast, mich zu töten, wenn Antonius dir etwas zu leide tun würde.“ Diese Worte versetzten den König in große Erregung; er stieß sie von sich, raufte sich das Haar und schrie, nun sei der klare Beweis geliefert, daß sie mit Josef verbotenen Umgang gepflogen, denn sonst hätte dieser ihr den geheimen Auftrag nicht verraten. Beinahe hätte der König seine Gattin getötet; doch verhinderte das seine immer noch große Liebe zu ihr. Josef aber ließ er ohne jedes Verhör hinrichten und Alexandra, die Anstifterin alles Unheils, ins Gefängnis werfen.