Herodes’ Tyrannei und Bauten

Herodes’ Tyrannei und Bauten

(9) Aus bloßer Prachtliebe und um den Kaiser und die römischen Machthaber günstig zu stimmen, baute Herodes unter Mißachtung der jüdischen Gesetze Städte mit heidnischen Tempeln, zwar nicht in Judäa, denn hier hätten die Juden das nicht geduldet, wohl aber in anderen Gegenden.

Besonders geeignet zur Erbauung einer Stadt erschien ihm ein Ort an der Meeresküste, der früher Stratonsturm hieß. Hier baute er nach großzügiger Planung eine Stadt aus weißem Marmor und versah sie mit einem prächtigen Palast und Wohnungen für die Bürger, vor allem aber, was auch die meiste Arbeit machte, mit einem sicheren Hafen, der an Größe dem Piräus gleichkam. Bis dahin war die ganze den heftigen von Afrika wehenden Winden ausgesetzte Küste weit und breit hafenlos, und mußten die Schiffe hier meist auf offenem Meere vor Anker gehn. Herodes ließ nun, um diesen Mißstand abzuschaffen, für den Hafen einen so weiten Raum abstecken, daß er ausreichte, um große Flotten aufzunehmen. Hier ließ er dann bis zur Tiefe von zwanzig Ellen Felsblöcke von gewaltiger Größe, die meisten fünfzig Fuß lang, achtzehn breit und neun hoch, versenken. So entstand eine Mole von zweihundert Fuß Breite, deren eine Hälfte als Wellenbrecher diente, während die andre eine mit Türmen besetzte Mauer trug. Auch waren da viele Gewölbe eingebaut, die den Schiffern als Herberge dienten; und vor den Gewölben her zog sich eine zu Spaziergängen einladende breite Kaimauer rings um den Hafen. Die Hafeneinfahrt war dem Nordwinde zugekehrt, dem Gutwetterbringer. Rings um den Hafen erheben sich dicht an dicht Gebäude aus poliertem Marmor und in ihrer Mitte auf einem Hügel, weithin den Seefahrern sichtbar, der Tempel des Kaisers mit je einem Standbild der Stadt Rom und des Kaisers. Die Stadt bekam den Namen Cäsarea. Unterirdische Kanäle dienten dazu, die Regen- und Schmutzwässer der Stadt abfließen und das Meerwasser eindringen zu lassen, das die ganze Stadt durchfloß und unterspülte. Außerdem baute Herodes in der Stadt ein Theater und an der Südseite des Hafens ein Amfitheater, das eine gewaltige Menschenmenge zu fassen vermochte und so lag, daß es eine weite Aussicht aufs Meer bot. (XVI 5) Als Herodes die Stadt in zwölfjähriger Arbeit vollendet hatte, veranstaltete er zu ihrer Einweihung im 28. Jahre seiner Regierung ein großes Fest: Künstlerische und sportliche Wettkämpfe wurden angesagt, eine große Zahl Gladiatoren und wilde Tiere beschafft, Wettrennen und alles, was sonst in Rom und anderswo beliebt war, vorbereitet.

Auch einer Anzahl ausländischer Städte bewies Herodes seine fürstliche Freigebigkeit. So stellte er in Rhodos den abgebrannten Tempel des Pythischen Apollo wieder her, schöner als zuvor. Und sind nicht Athen, Lacedämon und Perganom voll von seinen Weihgeschenken? Die wegen ihres Schmutzes unbegehbare zwanzig Stadien lange Hauptstraße von Antiocchia in Syrien belegte er mit behauenen Steinplatten und versah sie zum Schutz gegen Regen auf beiden Seiten mit Säulengängen. Was er aber Elis schenkte, war nicht nur ein Geschenk für Griechenland sondern für die ganze Welt, zu der der Ruhm der Olympischen Spiele dringt.

Als er nämlich sah, daß sie aus Mangel an Geld dem Verfall nahe waren und somit das einzige Überbleibsel des alten Hellas zu verschwinden drohte, trat er hier nicht nur gelegentlich einer Reise nach Rom als Schiedsrichter auf, sondern stiftete zur Erinnerung hieran für alle Zeiten bestimmte Geldeinkünfte. Die Juden aber waren ihrem Gesetz zuliebe allen derartigen Veranstaltungen abhold und gewöhnt, Recht und Gerechtigkeit höher als eitlen Ruhm zu stellen.

Als von Hyrkans Geschlecht niemand mehr übrig war und Herodes die Herrschaft so fest in Händen hatte, daß niemand mehr wagte, seinen Ungesetzlichkeiten entgegenzutreten, (8) wich er mehr und mehr vom Gesetz unsrer Väter ab und brachte die alte Ordnung der Dinge ins Wanken. Er richtete nämlich zu Ehren des Kaisers alle vier Jahre wiederkehrende Spiele ein und baute in Jerusalem ein Theater und in der Ebene ein großes Amfitheater, beide sehr prächtig, aber gegen die jüdische Sitte verstoßend. Zuschauer aus aller Herren Länder lud er zu den Spielen ein; und von weither strömten Sportler und Künstler aller Art zusammen, in der Hoffnung, die Siegespreise zu gewinnen. Denn nicht nur für die sportlichen sondern auch für die künstlerischen Leistungen waren Preise ausgesetzt, besonders hohe aber für die Rennen zwei- und vierrädriger Wagen sowie für Pferderennen. Auch wilde Tiere hatte man herbeigeschafft, Löwen und andere durch Stärke oder Seltenheit in Menge. Diese Tiere ließ man teils gegen einander, teils auch mit Menschen kämpfen die dazu verurteilt waren. Für die Fremden war der Anblick der gefährlichen Kämpfe eine Augenweide; für die Juden aber bedeutete das alles eine offenbare Auflösung der bei ihnen in hoher Ehre gehaltenen väterlichen Bräuche, und es schien ihnen eine Gottlosigkeit, Menschen den wilden Tieren vorzuwerfen zur Ergötzung andrer Menschen. So verschworen sich denn zehn Männer, Herodes im Theater zu erdolchen. Aber das Komplott wurde entdeckt und die Verschworenen verhaftet. Vor den König geführt, zeigten sie weder Reue noch legten sie sich aufs Leugnen, sondern bekannten freimütig ihre Verschwörung, doch hätten sie diese nicht aus Gewinnsucht oder persönlichem Haß, sondern für das gemeine Wohl unternommen. Darauf wurden sie abgeführt und unter vielen Qualen hingerichtet. Ihr Verräter aber, der sich den Haß des ganzen Volkes zugezogen hatte, wurde nicht lange danach von einigen Bürgern ergriffen und nicht nur getötet, sondern auch in Stücke gerissen und den Hunden zum Fraße vorgeworfen.

Dieser ganze Vorgang zeigte Herodes, daß er Maßnahmen zu seiner größeren Sicherheit treffen mußte. Er beschloß daher, das Volk von allen Seiten einzuschließen, damit seine kleinen Unruhen nicht zu offnem Aufstand anwüchsen. Die Stadt hatte er bereits fast in der Hand durch die von ihm erbaute Hofburg, in der er wohnte, und den Tempel durch die Burg Baris. (11) Letztere hatten schon die Hasmonäaer, Herodes´ Vorgänger, die Könige und Priester zugleich waren, erbaut, um darin das Gewand aufzubewahren, das der Hohepriester nur, wenn er opfern muß, anlegt. Herodes ließ die Burg jetzt noch stärker befestigen und nannte sie seinem Freunde, dem römischen Feldherrn Antonius, zuliebe Antonia. (8) Außer diesen beiden Burgen glaubte Herodes noch ein drittes Bollwerk, und zwar in Samaria, errichten zu müssen. Dieser Ort, der von Jerusalem nur eine Tagesreise entfernt liegt, erschien ihm besonders geeignet, die ganze Umgegend im Zaume zu halten. Er erweiterte die Stadt gegen früher bedeutend, indem er viele seiner entlassenen Soldaten und Angehörige benachbarter Volksstämme darin ansiedelte, umgab sie mit einer hohen Mauer, die die Abschüssigkeit des Geländes geschickt ausnutzte, schmückte sie mit einem großen, herrlichen Tempel und nannte sie Sebaste[1]. Auch sonst befestigte er mehrere Orte, so Machärus[2] an der Südgrenze Peräas und Masada westlich vom Toten Meere.

(10) Im übrigen suchte Herodes Unruhen seiner Untertanen dadurch vorzubeugen, daß er sie zu beständiger Arbeit anhielt. Auch verbot er ihnen alle Zusammenkünfte, öffentliche wie geheime, und stelle überall Spione an. Ja, man sagt, er habe sich oft selbst in der Kleidung eines Privatmanns bei Nacht unter die Volksmenge begeben, um ihre Meinung über seine Regierungstätigkeit zu erfahren. Wurde jemand bei einer Übertretung ertappt, so bestrafte er ihn streng; und viele wurden offen oder heimlich in die Burg Hyrkania abgeführt und dort hingerichtet. Die andern verpflichtete Herodes durch Eid, ihm stets die Treue zu bewahren. Als er aber auch die Farisäer Pollio und Schemaja[3] und einige ihrer Anhänger zum Eide zwingen wollte und diese sich entschieden weigerten, schritt er nicht gegen sie ein. Auch blieben von dieser Verpflichtung die Essäer[4] befreit, die eine ähnliche Gemeinschaft bilden wie bei den Griechen die Pythagoräer.[5]

(9) Vorübergehend schlug die Stimmung des Volkes zu Herodes’ Gunsten um, nämlich als er im 13. Jahre seiner Regierung bei einer durch anhaltende Dürre entstandenen furchtbaren Hungersnot in der großzügigsten Weise Getreide in Ägypten kaufte und an die Notleidenden verteilte.

(11) Im 18. Jahre seiner Regierung nahm Herodes ein außergewöhnlich schwieriges Werk in Angriff. Er ging nämlich daran, den Tempel Gottes in größerem Umfang und 60 Ellen höher als bisher zu bauen. Mit Recht war er überzeugt, daß dieses Werk ihm höheren Ruhm als alle andern einbringen und ein ewiges Andenken sichern werde. Nachdem er zuvor tausend Wagen zum Anfahren der Steine beschafft, zehntausend erfahrene Arbeiter ausgewählt und tausend Priester als Maurer und Zimmerer hatte ausbilden lassen[6], ließ er die alten Fundamente durch neue ersetzen und auf diesen den Tempel wieder aufbauen aus weißen Marmorblöcken, die jeder etwa fünfundzwanzig Ellen lang, acht hoch und zwölf breit waren. Die Eingangstore wurden mit bunten Vorhängen geschmückt. Darüber breitete sich ein goldener Weinstock aus mit herabhängenden Trauben, ein Wunder an Größe und Kunst. Den ganzen Tempelplatz umgab er mit gewaltigen Säulenhallen, deren Pracht die der früheren weit übertraf. Sie ruhten auf einer Mauer, die selbst eins der großartigsten Werke war, von denen man je gehört hat. Ein sanft ansteigender felsiger Hügel erhob sich im Osten der Stadt; den hatte unser König Salomo in seiner Weisheit von seinem Fuße auf mit einer Mauer aus mächtigen Felsblöcken umgeben und den Hohlraum innerhalb der Mauer bis oben hin ausgefüllt, den Gipfel des Hügels aber eingeebnet. Nun sah man von außen die gewaltigen Felsblöcke, die innen durch eiserne Klammern so fest zusammengehalten wurden, daß sie für alle Zeiten unauflöslich verbunden waren. Die so entstandene Hochfläche bildete ein Viereck, dessen Seiten je ein Stadion lang waren. Diese Fläche ließ Herodes jetzt durch Stützmauern auf das Doppelte erweitern. Die westliche Mauer hatte vier Tore, von denen eines zum königlichen Palast, zwei andre in die Vorstadt und das vierte auf vielen Stufen ins Tal hinunter und dann wieder hinauf in die übrige Stadt führte; die wie ein Theater dem Tempel gegenüber lag. Die südliche Mauer hatte ebenfalls Tore in der Mitte und trug die dreifache königliche Halle. Diese hatte vier Säulenreihen, deren vierte mit der Mauer verbunden war. Jede Säule war so dick, daß drei Männer sie eben umspannen konnten. Ihre Länge betrug 27 Ellen. Die Kapitelle waren in korinthischem Stil gehalten und erstaunten durch die Großartigkeit ihrer Skulpturen. Die Gesamtzahl der Säulen betrug hundertzweiundsechzig. Von den durch die vier Säulenreihen gebildeten drei Schiffe waren die seitlichen je dreißig Fuß breit und mehr als fünfzig Fuß hoch, das mittlere aber anderthalbmal so breit und doppelt so hoch; denn die Architrave der mittlere Säulenreihen trugen noch eine Wand mit eingemauerten Säulchen. Wer vom Dach dieser Halle in das tiefe Tal hinunterschaute, wurde vom Schwindel ergriffen. Als Herodes den Bau der Umfassungsmauern und der Säulenhallen in acht Jahren und die Priester den des eigentlichen Tempels in anderthalb Jahren vollendet hatten, freute sich das ganze Volk und dankte Gott. Der König aber opferte dreihundert Stiere.

Erklärungen

[1] = lateinisch Augusta.

[2] Von seiner Lage und Befestigung gibt Josefus’ Krieg VII 6 folgende Schilderung: „Machärus liegt östlich des Toten Meeres auf einem Felsgipfel, der auf allen  Seiten von abgrundtiefen Schluchten umgeben ist, die man nicht leicht überqueren und auf keinen Fall zuschütten kann. Der jüdische König Alexander (XIII 12-14) war der erste, der die günstige Lage dieses Ortes erkannte und dort eine Festung  errichtete, die aber später von Gabinius im Krieg mit Aristobul (XIV 3) geschleift wurde. Als Herodes König geworden war, schien ihm der Platz mehr als jeder  andre besonderer Beachtung und möglichst starker Befestigung wert,  hauptsächlich wegen der Nachbarschaft der Araber. Deshalb umgab er eine weite Fläche mit Mauern und Türen und gründete dort eine Stadt, die man erst durchschreiten musste, um auf den Gipfel zu gelangen. Auch diesen versah er ringsum mit einer Mauer und errichtete in deren Ecken Türme von 160 Ellen Höhe. In der Mitte der so befestigten Fläche baute er einen Palast mit weiten, prunkvollen Gemächern. Auch legte er an den geeigneten Stellen Zisternen an, um das Wasser auffangen und alle damit reichlich versorgen zu können. Ferner versah er die Festung mit vielen Geschossen und Kriegsmaschinen und bemühte sich, die Besatzung in jeder Hinsicht so auszurüsten, daß sie auch einer langen Belagerung trotzen konnten.“

[3] Vgl. XIV 9!

[4] Oder Essener. Vgl. über diese Kapitel „Farisäer Sadducäer Essener“, Fußnote 1!

[5] D. i. einen theosofischen Orden.

[6] Damit sie den eigentlichen Tempel bauten; denn diesen durften nur Priester betreten.