Verfolgung der Christen Roms durch Nero

Verfolgung der Christen Roms durch Nero

(Tacitus’ Annalen XV)[1]

(33) Unter dem Konsulat des Gajus Läkanius und Markus Licinius[2] (38) ereignete sich ein Unglück schwerer und entsetzlicher als alles was Rom je getroffen hat. (41) Am 15.Juli dieses Jahres (38) brach nämlich ein Feuer aus in dem Teil des Zirkus der an den Palatinus und Cälius stößt, und zwar in den Buden die mit leicht brennenden Waren gefüllt waren, breitete sich vom Winde angefacht sofort aus und ergriff den Zirkus seiner ganzen Länge nach. Es lagen ja keine Gebäude mit Brandmauern oder von Mauern umgebene Tempelbezirke dazwischen oder sonst etwas was das Feuer hätte aufhalten können. Alle Löschversuche kamen zu spät, weil sich das Feuer zu schnell ausbreitete und die Stadt mit ihren alten engen und gewundenen Gassen der Gefahr besonders ausgesetzt war. (40) So blieben von den vierzehn Bezirken, in die Rom eingeteilt ist, nur vier unversehrt, während drei auf den Grund zerstört wurden und in den sieben übrigen nur wenige halb verbrannte Häuser übrig blieben. (39) Zum Trost für die obdachlose Menge öffnete Nero das Marsfeld und Agrippas Bauten, ja sogar seinen eigenen Park, und ließ Baracken errichten. Auch wurden Lebensmittel von Ostia und andern Orten herbeigeschafft und der Preis des Getreides herabgesetzt. (44) Doch weder menschliche Hilfeleistung noch des Kaisers reiche Spenden noch Sühnopfer für die Götter vermochten das Gerücht zum Schweigen zu bringen daß Nero den Brand angestiftet (39) und während des Brandes auf seiner Hausbühne den Untergang Trojas besungen habe.

(44) Um dem ein Ende zu machen, schob Nero die Schuld auf Leute, die durch ihre Schandtaten verhaßt waren und vom Volk Christen genannt wurden, und bestrafte sie mit ausgesuchten Strafen. Der Stifter dieses Namens, Christus, war unter Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus hingerichtet worden; aber der für den Augenblick unterdrückte verderbliche Aberglaube brach wieder aus, nicht nur in Judäa, der Heimat dieses Übels, sondern auch in Rom, wo ja von allen Seiten alle Greuel und Abscheulichkeiten zusammenströmen und Anhang finden. Nachdem zunächst einige verhaftet waren  die gestanden[3] und dann nach ihren Angaben eine große Menge, wurden sie zwar nicht der Brandstiftung, wohl aber des Hasses gegen das Menschengeschlecht überführt. Ihre Hinrichtung diente zugleich der Belustigung: In die Häute wilder Tiere gehüllt wurden sie von Hunden zerfleischt und nach Eintritt der Dunkelheit zum Zwecke nächtlicher Beleuchtung verbrannt. Seinen Park hatte Nero für dies Schauspiel freigegeben; auch veranstaltete er zugleich ein Wagenrennen, wobei er sich in der Tracht eines Wagenlenkers unter das Volk mischte oder auf seinem Rennwagen stand. Danach aber regte sich Mitleid mit den Hingerichteten, obwohl sie schuldig waren und die härteste Strafe verdient hatten; man hatte nämlich das Empfinden daß sie nicht dem Gemeinwohl sondern der Grausamkeit eines einzigen geopfert würden.

Erklärungen

[1] Letztes Werk des etwa i. J. 117 gestorbenen römischen Geschichtschreibers.

[2] I. J. 64.

[3] Daß sie Christen seien.