Shakespeare in meinem Berliner Theaterleben

1999

Von Marcel Reich-RanickiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Marcel Reich-Ranicki

Auf den Programmheften der Berliner Staatstheater prangte in diesen Jahren das Hakenkreuz – und doch hatten wir es damals mit einer wahren Blütezeit der deutschen Bühnenkunst zu tun. Um Mißverständnissen vorzubeugen, sei es gleich gesagt: Jene, die 1933 die Macht an sich gerissen hatten, erscheinen deshalb nicht in milderem Licht; und die Kluft, die sich zwischen dem von ihnen beherrschten und terrorisierten Land und der zivilisierten Welt aufgetan hatte, wurde durch die Leistungen der Künstler, die die nationalsozialistische Kulturpolitik beharrlich ignorierten und die sich ihr auf vorsichtige Weise widersetzten, nicht um einen Deut kleiner. Denn die Aufführungen in den Berliner Opernhäusern, im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt und in einigen anderen Theatern sowie die Konzerte, zumal die der Berliner Philharmoniker mit Wilhelm Furtwängler an der Spitze, vermochten die Tyrannei nicht zu mindern. Aber sie haben das Leben vieler Menschen erträglicher, ja sogar schöner gemacht – und eben auch mein Leben. […]

Man spielte die Dramen der großen Literatur von Aischylos über Shakespeare bis Bernard Shaw und natürlich die deutschen Klassiker von Lessing bis Gerhart Hauptmann.

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