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Keyserlings Geheimnis

Roman

Von Klaus Modick


Bories vom Berg schrieb uns am 07.03.2022
Thema: Klaus Modick: Keyserlings Geheimnis

Besser das Original lesen

Mit seinem Roman «Keyserlings Geheimnis» hat der in vielen literarischen Genres tätige Schriftsteller Klaus Modick die Reihe seiner Künstlerromane fortgesetzt, schon der Buchumschlag ist dem Vorgänger «Konzert ohne Dichter», der schnell zum Bestseller avancierte, auffallend ähnlich. Auch hier bilden wieder Dichtung und Malerei die Kulisse für eine Geschichte um den «baltischen Fontane», wie Eduard von Keyserling oft bezeichnet wird. Ähnlich den anderen Romanen aus gleicher Feder weist auch der jüngste, pünktlich zum hundertsten Todestag 2018 erschienene Band eine sonst eher bei amerikanischen Autoren anzutreffende, erzählerische Leichtigkeit auf. Zu deren Kennzeichen zählen eine einfache Diktion und ein unkomplizierter, leicht nachvollziehbarer Plot, aber auch Realitätsnähe und sorgfältig arrangierte Motiv-Vielfalt. Eigenschaften mithin, die eine angenehm unangestrengte Lektüre und gute Unterhaltung verheißen.

Der Schriftsteller Max Halbe und seine Frau laden im Sommer 1901 ein paar Freunde aus der Schwabinger Boheme in ihr Landhaus am Starnberger See ein. Dazu gehören der Maler Lovis Corinth und der Dichter Eduard von Keyserling, ein adeliger Dandy, der, schon von Natur aus hässlich, nun zusätzlich auch noch durch die Spuren der Syphilis entstellt ist. Gleichwohl lässt er sich von seinem Malerfreund überreden, ihm für ein Porträt Modell zu sitzen. In den Gesprächen während dieser Sitzungen in Bernried versucht der Maler, von Keyserling mehr über seine von wilden Gerüchten umrankte Studentenzeit an der estnischen Universität Dorpat zu erfahren, aber er bekommt nichts aus ihm heraus. Der Skandal vor mehr als zwanzig Jahren hat den Dichter in den heimatlichen Adelskreisen zur ‹persona› non grata› werden lassen. Von der Universität exmatrikuliert musste er Hals über Kopf nach Wien fliehen. Er hat dort ein neues Leben als Dichter begonnen, das ihn später dann nach München führte. Bei einem gemeinsamen Konzertbesuch mit Frank Wedekind, ebenfalls Mitglied der Schwabinger Clique, der zu Besuch an den See gekommen ist, begegnet er einer Sängerin, die damals in den Skandal verwickelt war.

In Rückblicken erzählt Klaus Modick von der Jugend seines Protagonisten auf dem estnischen Schloss Tels-Paddern, von dessen Studentenzeit und der durch den Skandal ausgelösten Zäsur, die ihn dann endgültig auf den immer schon angestrebten Weg zur Schriftstellerei geführt hat, seiner wahren Berufung. Dabei taucht der Autor tief ein in die Zeit des Fin de Siecle und das Leben des ostelbischen Junkertums, beschreibt die Streifzüge seines Helden durch Wiener und Schwabinger Kneipen und Bordelle und die hitzigen Diskussionen beim Künstlerstammtisch. Geschickt hat der Autor das wenige Verbürgte aus dem Leben seines Helden fiktional aufgepusht und damit einen Spannungsbogen geschaffen, der die Frage nach dem «Geheimnis» in seiner Erzählung sehr lange offen lässt. Letztendlich erweist sich das allerdings als Lappalie, die gleichwohl von einem Widersacher benutzt wird, um ein Duell zu provozieren.

Sprachlich unprätentiös findet der Autor immer wieder gelungene Metaphern, so wenn Lovis Corinth zum Beispiel dem neugierigen Keyserling einen Blick auf das gerade erst angefangene Gemälde verweigert: «Das ist noch kein Bild, sondern bestenfalls eine optische Absichtserklärung». Gelungen sind auch diverse intertextuelle Verweise wie dieser: «… dann erzählte Katharina Geschichten aus den alten Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hatte und manche Fische sogar sprechen konnten, zum Beispiel der Butt». Verhoben aber hat sich der Autor mit seinem leichtfüßigen Capriccio, wo er literarisch den Vergleich mit Keyserling sucht, der als Erzähler von Rang inzwischen zum Kanon deutscher Literatur zählt. Klaus Modicks eher langweiliger Roman erreicht dessen Niveau weder sprachlich noch von der gedanklichen Tiefe her. Das Original mal selbst zu lesen, zum Beispiel Keyserlings Roman «Wellen», wäre die bessere Alternative!

Fazit: lesenswert
Meine Website: ortaia.de

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