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Der Fall von Madrid

Von Rafael Chirbes


Justus Makollus schrieb uns am 07.06.2017
Thema: Rafael Chirbes: Der Fall von Madrid

Spanien 1975. Diktator Franco liegt im Sterben, die alte Ordnung steht vor dem Zusammenbruch. Inmitten dieses Settings wird die Geschichte um den Geschäftsmann José Ricart angesiedelt, der seinen 75. Geburtstag just an dem Tag feiert, der für die kommenden Zeiten in Spanien so bedeutungsvoll ist. Ausgehend von der Hauptperson entspinnt der Roman ein Sittengemälde jener Zeit und seiner Menschen: der naiv-konservative Sohn, die prätentiöse Schwiegertochter, die radikal-theoretischen Enkel, der brutale und egoistische Polizeibeamte, der Freiheitskämpfer und seine Arbeiterfrau. Diese und weitere Figuren zeichnen das markante Bild der Tage des möglichen Umbruchs und der sozialen wie wirtschaftlichen Unsicherheiten. Chirbes' Stil ist sowohl intellektuell anspruchsvoll, etwa wenn er über die künstlerischen oder literarischen Strömungen referiert, als auch rabiat und deftig, wenn es um das menschliche Miteinander geht. Sex, Gewalt und seelische Folter sind hier die ständigen Begleiter. So gelingt es dem Text, ein authentisches Bild zum einen der gehobenen Besitzbürger und zum anderen der ideologisch verklärten Arbeiter zu zeichnen.
Man kann Chirbes vorwerfen, dass er sich in seinen Figuren verliert, was der Handlung leider anzumerken ist. Der großartige Anfang findet kein harmonisches Ende, vielmehr bietet der Text einen Schluss, der als solcher nicht vornehmlich notwendig erscheint. Hundert Seiten mehr, und das Buch wäre rundum gelungen. Dennoch ist "Der Fall von Madrid" ein paar Mußestunden wert.

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