Leserbriefe zur Rezension

Authentizität ist keine Kategorie

Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ und die überforderte Literaturkritik

Von Eckart Löhr


Ilka Hoffmann schrieb uns am 01.03.2010
Thema: Eckart Löhr: Authentizität ist keine Kategorie

Wir, ein winzigkleiner Literaturverlag (Literaturplanet), kämpfen bewusst für die "Rückkehr des Textes" und gegen einen Literaturbetrieb, der zum Showbusiness verkommen ist.

Insofern gefällt mir der Artikel sehr gut. Authentizität ist tatsächlich keine Kategorie für gute Literatur, aber Originalität schon. Die fehlt bei der vom Feuilleton hochgelobten Literatur auch sehr oft.


Alban Nikolai Herbst schrieb uns am 01.03.2010
Thema: Eckart Löhr: Authentizität ist keine Kategorie

Mit Ihrer Analyse des verfehlten Ansatzes "der" Literaturkritik bin ich einverstanden; damit kommen wir aber nicht weiter. Was Sie zuletzt streiften, ist die eigentliche Frage, um die es geht: Ist aus dem Verfahren ein Kunstwerk entstanden, das den - mehr und sicherlich mehr minder definierbaren - Kriterien eines solchen entspricht oder sie weiterbringt. Darüber gibt es in Ihrem Text keine Auskunft, nur ein vages sich-Herumdrücken. Schade. Hier wäre eine ästhetische Positionierung jenseits "biografischer Interpretationsansätze" nötig, hier müßte jemand sagen: Das ist gute Literatur, vielleicht sogar Dichtung. Oder eben: Das ist es nicht. Und dann begründen. So bleibt Ihr Text in dem ungefähren Raum, der zwar zurecht auf das Recht der Collage pocht (eines wichtigen Verfahrens der jungen Moderne, das aber der Verreinnahmung von Kunst als einem Eigentum, entgegensteht), aber eben im Spezialfall keine Meinung hat.

Ganz nebenbei ist der "Skandal" ein ganz anderer; ich habe in Der Dschungel darauf hingewiesen: Diejenigen, die das Hegemann-Buch mit den überkommenen Kriterien einer ältlichen Literaturkritik so hochgelobt haben, sind zu großen Teilen dieselben, die den Heidelberger Appell zum Urheberrecht unterstützten. D a liegt die kleine Bombe, um die es im Hintergrund geht.

ANH
www.albannikolaiherbst.de


Johannes Molitor schrieb uns am 02.03.2010
Thema: Eckart Löhr: Authentizität ist keine Kategorie

Eine arg verwunderliche Rezension. Oder eben keine Rezension. Auch wenn Herr Löhr glaubt, einen 'Skandal der Literaturkritik' konstatieren zu müssen, hätte ich doch gern auch ein bisschen was übers eigentlich zu rezensierenden Buch erfahren. Etwa, ob Herr Löhr es für lesenswert hält oder nicht. Leider Fehlanzeige.
Auch verwunderlich, mit welcher Gewissheit der Rezensent post- oder sonstwie strukturalistische Theorien als quasi wissenschaftlich festgeschriebene Erkenntnisse versteht. Statt 'Autor-Gott' Roland Barthes als Gott? Jeder Literaturkritiker hat demnach so zu schreiben, als komme er gerade aus einem Mittelseminar über Barthes?
  "Tatsache ist aber die Erkenntnis, dass kein Autor ein Werk vollständig aus sich heraus schöpfen kann, da er schon immer in einem sprachlichen, sozialen und kulturellen Verweisungszusammenhang steht."  Aber natürlich, das hat man schon immer gewusst? Aber ist deshalb z.B. Barthes kein Autor mehr? Sicher hat er auch Geld für seine Bücher nicht verschmäht?
  Schon gar nicht kann man von daher - so modern man sich auch gerieren mag - ein Plagiat als Teil des 'Verweisungszusammenhangs erklären.

Ja, schon eine verwunderliche Rezension.


gittakohl schrieb uns am 03.03.2010
Thema: Eckart Löhr: Authentizität ist keine Kategorie

Ganz offenbar hatte Herr Löhr ja auch nicht die Absicht, eine Rezension zu dem Werk von Helene Hegemann zu schreiben, sondern uns die Grundlagen der Literaturkritik zu erklären. Und das ist – zugegeben ein bisschen sehr akademisch und mit zu viel Seminargeruch – auch angekommen. Die romantisch geprägte Literaturkritik haben die Strukturalisten für tot erklärt, wir sind im Poststrukturalismus angekommen und begreifen uns endlich als das, was wir sind: gesellschaftliche Produkte, immer schon im „Verweisungszusammenhang“, in einem wie auch immer gearteten Kontext. Man kann sich mit Goethe fragen, was an diesem Wicht Mensch/Autor denn schon original zu nennen sei. Bis hierhin bin ich einverstanden.
„…und man kann immer noch der Meinung sein, dass jeder Text – wenn es ein guter Text ist – immer auch zumindest einen Hauch von persönlicher Inspiration und Originalität enthält.“
Danke, Herr Löhr, dass sie uns das noch zugestehen!  Und vielleicht darf es ja auch ein kleines bisschen mehr als „ein Hauch“ sein?  Das beißt sich dann keineswegs damit, dass der Autor nach wie vor in irgendwelchen „Kontexten“ steht und aus dieser Position heraus natürlich schreibt. Ich halte den Tatbestand  übrigens für trivial und eigentlich bedarf er keiner längeren Erörterung. Das war´s schon; doch  da offenbar von einigen Lesern  eine präzise Wertung zu Hegemanns Werk von Ihnen, Herr Löhr, erwartet wurde, Sie sich jedoch nicht so recht aufs „Glatteis“ wagten: („Ob es der Autorin Hegemann gelungen ist, die Welt verständlicher zu machen, darüber lässt sich streiten. Ihr Verfahren, andere fiktionale Texte zu übernehmen und fortzuschreiben, ist jedoch legitim.“)  und wir ja nun weiter darüber streiten dürfen, gebe ich also meinen Senf dazu: Helene Hegemann ist es auf jeden Fall gelungen, mir die Welt ein wenig verwirrender zu machen. Und das halte ich für „origineller“, als sie mir – wie schon so viele andere Autoren es ja vermocht haben – verständlicher zu machen.