Leserbriefe zur Rezension

Eine verschleiernde Mischung aus islamischer Religionskunde und politischer Programmatik

Lamya Kaddors Entwurf eines liberalen Islam überzeugt nicht

Von Klaus-Jürgen Bremm


Dr. Mohammed Khallouk schrieb uns am 02.04.2010
Thema: Klaus-Jürgen Bremm: Eine verschleiernde Mischung aus islamischer Religionskunde und politischer Programmatik

Dieser einseitige und in der Grundtendenz abwertende Rezensionsbeitrag sagt mehr über den Autor und sein verzerrtes Bild vom Islam und von muslimischen Immigranten aus als über das rezensierte Buch. Dieses Bild wird von Kaddors Buch und den darin gegebenen Positionen der Autorin offenbar so nicht bestätigt, so dass er geradezu nach Belegen sucht, welche die Autorin und bekennende Muslimin Kaddor als "Wegweiserin der Parallelgesellschaft" charakterisieren. Es ist für ihn innerlich offenbar schwer einleuchtend, dass der Islam mittlerweile eine Realität in der deutschen Gesellschaft darstellt und Muslime sich trotz oder vielleicht sogar wegen ihrer Religionspraxis als Deutsche Patrioten verstehen.
In seinem Bewusstsein ist offenbar nur derjenige muslimische Immigrant in Deutschland "integriert", der auf jegliche Symbolik seiner religiösen Tradition verzichtet und in seinem Lebensstil die Majorität nachahmt.  "Moderner Islam" bedeutete demnach nichts anderes als die öffentliche Distanzierung von der eigenen, als "nicht deutsch" verstandenen Religion. In der Tat bestehen Passagen im Koran, die mit dem gegenwärtigen majoritären Menschenbild (z.B. hinsichtlich Geschlechterrollen) in der Bundesrepublik schwer vereinbar erscheinen. Gerade vor diesem Hintergrund erweist sich Kaddors Anspruch einer zeitgemäßen Auslegung des Islam als redlich und angebracht. Andernfalls müssten sich Juden und Christen auch patriarchalisch klingende Bibelpassagen vorhalten lassen und ihre Religion wäre mit den Maßstäben des deutschen Grundgesetzes prinzipiell unvereinbar.
Der Stil und das gesamte Niveau des Beitrages zeigen vielmehr, dass in Teilen der Aufnahmegesellschaft ein Identitätsdefizit herrscht, den man durch Abgrenzung gegenüber der anderen Kultur auszugleichen sucht und dafür nach Belegen aus literarischen Quellen sogenannter Muslime Ausschau hält. Dies erklärt auch das ungeheure Medieninteresse für Autorinnen wie Necla Kelek und Seyran Ates, die ihre nicht repräsentativen Randpositionen in jeglichen Talkshows präsentieren können.
Erst wenn auch die schweigende Majorität gebildeter und aufgeklärter Muslime ohne Empörungen aus dem Publikum ihre Sichtweisen  öffentlich darlegen können, wie dies Frau Kaddor für sich bansprucht, ist ein Wertedialog zwischen Muslimen und Nichtmuslimen erfolgversprechend und die Integration ein zweckorientierter Prozess, der sowohl von muslimischen Immigranten als auch der Aufnahmegesellschaft ausgeht.


Klaus-Jürgen Bremm schrieb uns am 21.05.2010 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Klaus-Jürgen Bremm: Eine verschleiernde Mischung aus islamischer Religionskunde und politischer Programmatik

Frau Kaddor sollte in meiner Besprechung keineswegs als Wegweiserin der islamischen Parallelgesellschaft charakterisiert werden, wie M. Kalluk es in seinem Leserbrief kritisiert, sondern es ging mir lediglich darum zu zeigen, dass auch ihr scheinbar aufgeklärter Weg nicht zum genannten Ziel führen kann.
Gewiss hat M. Kaluk recht, dass sich hinsichtlich der Gewaltaussagen das AT und der Koran nichts nehmen (weshalb er aber das NT der Christen in diesem Zusammenhang erwähnt, bleibt mir schleierhaft).
Das große Problem besteht m. E. darin, dass heutzutage moderne Europärer sich in ihrer Lebenspraxis kaum noch um diese antiken Texte kümmern, sondern deren Exegese den Theologen oder Philologen überlassen. Wohl aber kleben offenbar Muslime, selbst wenn sich sich modern geben wie Frau Kaddor, offenbar noch an jeder Zeile dieses frühmittelalterlichen Konvults religiöser Texte und Hassaussagen. Das aber kann ich nicht modern nennen und passt auch tatsächlich nicht in unsere Welt.
Wenn M. Kalauk weiterhin in seinem Brief hinsichtlich der endlich auf den Weg gebrachten Frauenemanzipation in modernen europäischen Gesellschaften von einem majoritären Menschenbild spricht, entlarvt er sich selbst nur als Chauvinisten, der mit seiner Formulierung doch unterstellt, es könne sich mit anderen Majoritäten irgendwann einmal wieder ein ihm offenbar genehmeres Geschlechterverhältnis einstellen.
Wie wenig M. Kaluk selbst in unserer moderner und aufgeklärten Gesellschaft angekommen zu sein scheint, zeigt sich auch in seiner Forderung, dass Muslime ihre Sichtweisen vortragen dürfen, ohne dass es im Plenung zu dem kommt, was er als Empörung diffamiert, wohl aber eher berechtigte Kritik genannt werden sollte.
Mit derartigen Selbstimmunisierungsansprüchen begibt er sich aber auf das Niveau der hiesigen Islamverbände.
Entlarvend ist auch seine Rede von der Aufnahmegesellschaft, die angeblich ein Identitätsdefizit zu beklagen habe. Abgesehen davon, dass diese abgründige These die Muslime zu nützlichen Idioten einer auf Selbstabgrenzung angewiesenen Gesellschaft degradiert, wäre noch anzumerken, dass sich die europäischen Gesellschaften nicht als Aufnahmegesellschaften und damit als Funktion einer islamischen  Einwanderung definieren lassen sollten.
Schon diese Wortwahl von M. Kalauk spricht für einen geistigen Imperialismus, der offenbar typisch für seine so genannte Religion ist, auch wenn sie im Gewande scheinbarer Mäßigung daherkommt.