Leserbriefe zur Rezension

Ehe(un)recht des BGB

Stephan Meder, Arne Duncker und Andrea Czelk haben eine kommentierte Quellensammlung zur juristischen Auseinandersetzung um die Rechtsstellung der Frau im Bürgerlichen Gesetzbuch von 1900 herausgegeben

Von Rolf Löchel


Franz Siepe schrieb uns am 19.04.2011
Thema: Rolf Löchel: Ehe(un)recht des BGB

Diese Rezension gibt mir erfreulicherweise die Gelegenheit, um Klarstellung in einem Punkte zu bitten. Mir liegt nämlich (Ute Gerhard (Hg.), Frauen in der Geschichte des Rechts, München 1997, S. 810) eine Information vor, die so zu verstehen ist, dass schon mit dem „Gleichberechtigungsgesetz“ vom 18. Juni 1957 „die Befugnis des Mannes beseitigt [wurde], ein von der Frau eingegangenes Dienstverhältnis zu kündigen.“
Diese Information scheint mir der Beobachtung Rolf Löchels zu widersprechen, derzufolge das o. g. Kündigungsrecht des Ehemannes „bis in die Mitte der 1970er-Jahre hinein“ bestanden hat.
In meinem Bekanntenkreis wurde mehrfach über diese Frage debattiert; und beide Standpunkte (männliches Kündigungsrecht entweder nur bis 1957 oder bis in die 1970er) wurden bezogen. Vielleicht ist ja der Rezensent oder ein anderer in der Materie Kundiger in der Lage und so freundlich, mittels eines rechtsgeschichtlich soliden Belegs hier Eindeutigkeit herzustellen. Ich wäre wirklich außerordentlich dankbar.


Christoph Coen schrieb uns am 19.04.2011
Thema: Rolf Löchel: Ehe(un)recht des BGB

Die "nicht wenigen" Mitglieder der "jüngeren Generation" haben völiig Recht, wenn sie mit "ungläubigem Erstaunen" auf Herrn Löchels Erzählungen reagieren: Was er behauptet, stimmt nämlich nicht.

§ 1358 BGB in der ursprünglichen Fassung gab dem Ehemann zwar in der Tat das Recht, ein Dienstverhältnis der Ehefrau zu kündigen - wenn das Vormundschaftsgericht bestätigte, dass "die Tätigkeit der Frau die ehelichen Interessen beeinträchtigt". In der Praxis scheint die Vorschrift aus verschiedenen Gründen keine große Wirkung gehabt zu haben - und wenn sie eingesetzt wurde, dann anders, als vom Gesetzgeber beabsichtigt: Berüchtigt wurde etwa der Fall der Schauspielerin Hermine Körner, die 1915 ihren Mann, der schon lange von ihr getrennt lebte, ihren Vertrag am Hoftheater Dresden kündigen ließ, um ein attraktiverers Engagement bei Max Reinhardt am Deutschen Theater in Berlin anzunehmen.

Dass diese Vorschrift "getilgt" wurde, ist auch nicht der "Zweiten Welle der Frauenbewegung" zu verdanken, sondern dem Parlamentarischen Rat, der 1949 die Gleichberechtigung ins Grundgesetz schrieb. Dabei mögen die sozialen Umwälzungen, die der Zweite Weltkrieg mit sich brachte, eine entscheidende Rolle gespielt haben. Nach Ablauf der Übergangsfrist 1953 setzte das Bundesverfassungsgericht die Aufhebung diskriminierender Vorschriften durch das Grundgesetz konsequent um, der Gesetzgeber der Adenauer-Zeit zeigte sich allerdings konservativer und schrieb die sogenannte "Hausfrauenehe" als - wenn auch unverbindliches - "gesetzliches Leitbild" fest. Diese Regelungen galten in der Tat bis 1976. Irgendein Kündigungsrecht des Ehemannes ergab sich daraus allerdings nicht - soweit erkennbar, wurde bei der Diskussion über das Eherecht in den 1950-er Jahren nicht einmal daran gedacht, ein solches Recht wieder einzuführen.

Arne Duncker, einer der Autoren des rezensierten Werks, hat sich übrigens schon in seiner 2003 ebenfalls bei Böhlau erschienenen Dissertation "Gleichheit und Ungleichheit in der Ehe: Persönliche Stellung von Mann und Frau im Recht der ehelichen Lebensgemeinschaft 1700-1914" unter anderem ausführlich mit Entstehungsgeschichte und Bedeutung von § 1358 BGB befasst (S. 851 ff.). Dem Rezensenten, dessen Sachkunde auf anderen Gebieten zu liegen scheint, sei auch diese Darstellung zur Lektüre empfohlen.


Franz Siepe schrieb uns am 19.04.2011 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Rolf Löchel: Ehe(un)recht des BGB

Haben Sie verbindlichen Dank für die Aufklärung, sehr geehrter Herr Coen.
Falls nun die in der Rezension – und eben nicht nur dort – verbreitete Sicht Produkt einer Legendenbildung sein sollte, wird man wohl in guter alter ideologiekritischer Manier nach den soziokulturellen Ausgangsbedingungen, den Agenten und dem Zweck der Mystifikation zu fragen haben.