Leserbriefe zur Rezension

Unschärfen und Unsicherheiten

In den Erzählungen aus „Der Engel Esmeralda“ zeichnet Don DeLillo eine Welt ohne Sicherheiten

Von Jens Zwernemann


Frank Heibert schrieb uns am 03.01.2014
Thema: Jens Zwernemann: Unschärfen und Unsicherheiten

Lieber Jens Zwernemann,
vom Verlag erhielt ich (mit dem üblichen Rezensionenpaket) auch Ihre Besprechung "Unschärfen und Unsicherheiten". Ich mag Rezensionen mit komplexen und differenzierten Beschreibungen und Einschätzungen des Gegenstandes, und Ihr Artikel ist über weite Strecken so. Sie legen die Latte Ihrer Kriterien hoch, man merkt, es geht Ihnen um scharfes Denken und um Präzision in der Betrachtung eines so reich changierenden künstlerischen Gegenstandes wie Literatur.
Dass Sie auch Kritisches zu DeLillo und einzelnen seiner Geschichten sagen, finde ich grundsätzlich gut, und natürlich sind jedem seine Geschmacksurteile unbenommen. Trotzdem werden Sie hoffentlich nachvollziehen können, dass Sie mit dem vorletzten Absatz Ihren eigenen Kriterien untreu werden. Sie monieren gelegentliche "sprachliche Fehlgriffe" und "abgeschmackte Lebensweisheiten" -- das ist Ihre Meinung, gern; mit der Einleitung "fraglos" setzen Sie sie allerdings absolut. Man mag es als unelegant oder vom hohen Kritikerross herab gesagt empfinden, sei's drum. Nun der Einschub "oder auch seinem Übersetzer" (es geht darum, wem es nicht gelingt, die monierten Schwächen zu vermeiden); das ist erst einmal unpräzise. Soll es heißen, beiden gelingt es nicht, die Auswahl ist da, mal so, mal so? Oder soll es heißen: Ich kann's nicht genau sagen, ob nicht vielleicht auch der Übersetzer dran schuld war, ich hab's nicht überprüft, aber sicherheitshalber sag ich mal, es muss ja nicht der Autor gewesen sein?
In ersterem Fall wünschte man sich ein Beispiel, das erkennbar übersetzerisch schwach ist. (Das folgende Beispiel ist es nicht; offensichtlich stört Sie da der Gedanke, und der stammt von DeLillo, daran kann kein Übersetzer der Welt etwas ändern.) Wenn Sie also das Erstere meinten, kriegt der Übersetzer einen beiläufigen Tritt ohne Begründung. Wenn Sie das Letztere meinten, aber erst recht -- denn der zugrundeliegende Gedanke, dass natürlich auch Übersetzer Fehler machen können, ist banal und bekannt. Wenn Sie den Gedanken nicht belegen (oder nicht belegen können, weil nicht nachgeprüft), streuen Sie beim Leser nur Misstrauen und Skepsis gegenüber der gesamten Übersetzung, und da dies die einzige Stelle ist, an der Sie die Übersetzung erwähnen, erst recht -- und das, ohne den Kasus überhaupt nachgeprüft zu haben?
Und schließlich fragt man sich natürlich, ob der Anteil an diesem Band, der Ihnen sprachlich gefallen hat, denn vielleicht auch was mit dem Übersetzer zu tun hat und erwähnenswert wäre. DeLillo ist ja nun kein Fall für Google-Translate, sondern schon anspruchsvoll. Aber so weit scheint Ihr Interesse an der Frage nicht zu gehen. Es erschöpft sich in besagtem vorsorglichem unbelegtem beiläufigem Fußtritt. Zusammen mit dem, was ich eben mit Ihrer Haltung von hohen Ansprüchen (und hohem Ross) ansprach, entsteht ein Eindruck, der Ihnen vielleicht nicht lieb ist und den Sie in Zukunft vielleicht vermeiden wollen.
Mit besten Grüßen, vielleicht höre ich ja direkt von Ihnen,
Frank Heibert (der nur im bibliografischen Block namentlich genannte Übersetzer)