Leserbriefe zur Rezension

Der weiße Fleck des Lebens

Das Erste Gebot in Elias Canettis „Das Buch gegen den Tod“: Du sollst nicht sterben

Von Matthias Schlieker


Guido Kohlbecher schrieb uns am 18.11.2014
Thema: Matthias Schlieker: Der weiße Fleck des Lebens

Canettis  allen Rezensenten recht absurd vorkommender lebenslanger fanatischer Kampf  gegen unsere Sterblichkeit verrät einen Mangel an logischer Stringenz und einen streng tabuisierten blinden Fleck bei ihnen  allen. Denn es ist eine unredliche Ausflucht aus der eigenen Verantwortung, wenn auf die unüberwindliche Naturgegebenheit des Todes verwiesen wird, gegen den eben (noch?) kein Kraut gewachsen sei. Nun, wenn schon kein Kraut - aber da wäre doch ein ethischer Willensentschluss denkbar, der einfach auf die Reproduktion von neuem Leben verzichtete und damit dem Tod jede weitere  Beute vorenthielte. Wie rechtfertigen denn eigentlich alle Eltern  ihr mit der (immer unerbetenen) Geburt verhängtes, jederzeit von der Natur oder Menschenhand vollstreckbares Todesurteil für das Kind,  zusätzlich zu allen sonstigen mit dem Dasein verbundenen Leiden?

Übrigens fand ich Canettis viele Notate nie besonders einfalls- und geistreich. Man ist rasch von ihrer Eintönigkeit und nie näher plausibel gemachten Apodiktik gelangweilt.
Der Stil ist meist flach und ungenau: kein Vergleich mit dem herrlichen Lichtenberg oder auch Jean Paul. Von diesem sei als Kontrastbeispiel zitiert: „Die Zeit ist nichts als ein Tod mit sanftern, dünnern Sicheln.“

Mit freundlichen Grüßen,
Guido Kohlbecher