Leserbriefe zur Rezension

Die innere Dunkelkammer

Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ in neuer Übersetzung

Von Olaf Kistenmacher


Bernd-Jürgen Fischer schrieb uns am 11.05.2018
Thema: Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer

Was ist denn Ihrer Ansicht nach der Unterschied zwischen einer Werkausgabe und einer Ausgabe, die "wie eine Werkausgabe daherkommt"? Ich vermute mal: Ihr unangemessener und anmaßender Sprachstil. Selbst nix leisten, aber rumrempeln!


Bernd-Jürgen Fischer schrieb uns am 13.05.2018
Thema: Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer

Henning Seydlitz schrieb uns am 12.05.2018
Thema: Olaf Kistenmacher: Die geheimen Beziehungen zwischen Leben und Werk

"Kistenmacher ist halt ein Soziologe, der als Literaturkritiker daherkommt."

Na, wie schmeckt die eigene Medizin?


Olaf Kistenmacher schrieb uns am 15.05.2018 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer

Bevor die Debatte über das Büchlein "Proust zum Vergnügen" weitere Blüten treibt,* seien an dieser Stelle ein paar Fakten eingeworfen: Bernd-Jürgen Fischers Proust-Übersetzungen wurden auf Literaturkritik.de mehrmals besprochen. In meiner Rezension vergleiche ich den "Luxus", dass wir nun über zwei deutsche Fassungen von "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" verfügen, damit, dass man zwei Abzüge eines Fotos vergleicht, und komme zu dem Ergebnis: "Man sieht auf jeden Fall mehr." (http://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=22713)
Mein ausführlicher Essay in der "Jungle World" (28/2016) schließt mit den Worten: "Man sollte Proust lesen, wieder lesen, in der Fassung der alten Werkausgabe oder der neuen Übersetzung. Auch wenn man einige Zeit dafür braucht." (https://jungle.world/artikel/2016/28/die-jugendjahre-der-buergerlichen-gesellschaft)

So viel zu der Unterstellung, Literaturkritik.de oder ich würden eine Kampagne gegen Herrn Fischer führen.

Was ich an dem von ihm herausgegebenen Büchlein "Proust zum Vergnügen" kritisiert habe und weiterhin entschieden kritisieren werde, ist der Gebrauch des Ausdrucks "Halbjude". Das halte ich in Deutschland nach 1945 für eine unzulässige Wortwahl. Die Tatsache, dass Proust der Sohn einer jüdischen Mutter war, lässt sich mit genau diesen Worten sagen. Dazu braucht es, wie gesagt, keiner Begrifflichkeiten, die an die Nürnberger Rassengesetze erinnern.** Ich finde es auch nicht amüsant, dass Bernd-Jürgen Fischer in seiner ersten Erwiderung (vom 28. April) das Wort "reinrassig" auf der Zunge liegt.

Als Anregung zur weiteren Lektüre empfehle ich außer Victor Klemperers "LTI. Notizbuch eines Philologen" die Kritik "Tadel für den Tagesspiegel" (2. Juni 2016) von Ramona Ambs auf:
http://www.prinzessinnenreporter.de/tadel-fuer-den-tagesspiegel/

Mit freundlichen Grüßen
Olaf Kistenmacher

* Die Spanne des hier verbreiteten Unsinns reicht von harmlosen falschen Behauptung, ich wäre Soziologe (Henning Seydlitz, 12. Mai), bis zu dem gefährlichen Irrsinn, der Ausdruck "Halbjude" könne keine Beleidigung sein, weil seine Bestandteile "halb" und "Jude" es nicht wären (Hemel Silberstein, 3. Mai). Eine solche Herleitung offenbart ein gehöriges Maß an Halbbildung.

** Wenn Ingeborg Kohn - die übrigens die Einzige zu sein scheint, die meine Rezension wirklich gelesen hat - sich selbst "Halbjüdin" nennt, ist das keine Rechfertigung dafür, dass man unaufgefordert andere Menschen so nennen dürfte.


Bernd-Jürgen Fischer schrieb uns am 16.05.2018
Thema: Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer

Lieber Herr Kistenmacher, Sie haben das Pferd von hinten aufgezäumt: Wenn ich "Halbjude" sage, dann beweist das, dass man "Halbjude" sagen kann.


Renate Rocholl schrieb uns am 20.05.2018
Thema: Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer

Was soll denn der Streit um das Wort "Halbjude" mit einem Mal? Will Kistenmacher jetzt in Mosebachs Fußstapfen treten und Fischers Arbeit wegen Wörtern bekritteln, die gar nicht darin vorkommen? Offenbar hat er die Neuübersetzung von Prousts "Recherche" genauso wenig gelesen wie Mosebach. Darauf deutet auch hin, dass sein Beitrag zwar als Rezension von Fischers Neuübersetzung daherkommt, sich dann aber nach einer zweizeiligen Feststellung ihrer Existenz auf einen ausgedehnten Essay über Proust und die Fotografie einschifft, der gar nicht mal schlecht ist, in dem aber Fischers Übersetzung mit keinem Wort erwähnt wird und ganz offenkundig nichts mit ihr zu tun hat. Insbesondere werden auch Fischer zahlreiche Hinweise auf Prousts Interesse an der Fotografie und seine Literaturhinweise dazu verschwiegen. Ich nenne so etwas Etikettenschwindel.
Nach ca. 185 Zeilen, die mit einer Rezension nicht das Geringste zu tun haben, kommen wir dann zu einer viereinhalbzeiligen Volte, die den Bezug wieder herstellen soll und an Lächerlichkeit kaum zu überbieten ist:
"Rechtfertigt diese Aktualität, dass es nun von Prousts À la recherche du temps perdu eine weitere deutsche Fassung gibt, die von der Aufmachung ebenfalls wie eine Werkausgabe daherkommt? Darüber lässt sich streiten. Doch da es diesen Luxus gibt, ist es wie bei zwei Abzügen des gleichen Negativs, bei denen man auch nicht sagen kann, ob einer davon besser wäre: Man sieht auf jeden Fall mehr."
Meiner Beobachtung nach hat Fischer nirgendwo den Anspruch erhoben, eine Werkausgabe zu erstellen. Dazu würden ja mindestens noch Les Plaisirs et les Jours, Jean Santeuil und Contre Sainte-Beuve gehören - mal ganz abgesehen von der Frage, ob eine Übersetzung überhaupt eine Werkausgabe sein kann. Die anmaßend-abschätzige Stammtischsprache von "daherkommen" ist ja bereits gerügt worden. Was bildet Kistenmacher sich eigentlich ein?
Nein, was mir richtig wehgetan hat war die Abstrusität, Prousts Text zu einem Negativ zu deklarieren - wovon denn bloß? Vom Jenseits, weil er so diesseitig ist? - und literarische Übersetzungen zu "Abzügen" davon. Sancta simplicitas, keine Ahnung von den Anforderungen an die Übersetzung literarischer Texte, von deren Kommentierung ganz zu schweigen. (Richtig: da ist ein Anhang mit höchst gelehrten Anmerkungen und zahlreichen nützlichen Hinweisen, der weit über den Apparat der Suhrkamp-Ausgabe hinausgeht, den aber bisher noch keiner entdeckt zu haben scheint.) Ein Abzug von einem Negativ ist bekanntlich ein Negativ des Negativs. Die Übersetzung von "Longtemps je me suis couché de bonne heure" müsste dann pace Kistenmacher lauten: "In kurzer Entfernung hast du dich zu schlechter Meile aufgeweckt" - oder so ähnlich! Und bei zwei Abzügen vom selben Negativ sieht man mitnichten mehr: Wenn sie ordentlich gemacht sind, sind sie praktisch identisch. Das sicherzustellen ist die Funktion eines Negativs. Doch trotz der allgemeinen Geiferei der Rechel-Mertens-Adepten hat bisher noch niemand bestritten, dass sich Fischers Übersetzung wesentlich von der R-M-Übersetzung unterscheidet. Man lässt nur nicht gern vom alther Gewohnten.
Kistenmacher hätte mal zu einem Podiumsgespräch mit Fischer gehen und zuhören sollen: Da hätte er eine sinnvolle Metapher aus der Fotografie kennenlernen können. Fischer zog, um den Unterschied zwischen der R-M-Übersetzung und seiner eigenen sinnfällig zu machen, eine Parallele zu den verschiedenen Auffassungen zweier berühmter Fotografen vom selben Sujet: Weibliche liegende Rückenakte von David Hamilton einerseits und Helmut Newton andererseits. Tja, von Fischer kann man was lernen! Ich habe ihn danach um die jpg-Dateien der sehr schönen Aufnahmen gebeten, die er mir auch geschickt hat, aber hier kann man ja nichts hochladen.


Olaf Kistenmacher schrieb uns am 22.05.2018 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer

Nach Renate Rocholls E-Mail ist die Diskussion für mich beendet. Ich halte es mittlerweile für geboten, Bernd-Jürgen Fischer vor seinen Fans in Schutz zu nehmen.
Es ist mir völlig unklar, warum sich Frau Rocholl an einer Diskussion beteiligt, von deren Verlauf sie nichts weiß. Weder hat sie das Buch von Fischer, um das es geht, gelesen, noch kennt sie meine Rezension (http://literaturkritik.de/public/rezension.php?rez_id=24100). Sie hat nicht einmal die bisherige Debatte auf dieser Leserbriefseite zur Kenntnis genommen. Sonst würde sie nicht die Frage stellen, warum es "mit einem Mal" um den Ausdruck "Halbjude" ginge - denn darum ging es von Anfang an -, und nicht behaupten, das Wort würde bei Fischer "gar nicht vorkommen".
Ich kann an dieser Stelle nicht alle ihrer Fehler korrigieren. Der amüsanteste ist, dass sie im gleichen Satz mutmaßt, ich hätte Fischers Proust-Übersetzung nicht gelesen, und zu der Einschätzung kommt, ich hätte auf der Grundlage dieser Übersetzung einen Essay verfasst, der "gar nicht mal schlecht" sei.
Ganz allgemein lautet mein Appell an die Adresse der Fischer-Fans: Wer sich von Ihnen noch über die Besprechung in der "FAZ" geärgert hat (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/belletristik/bernd-juergen-fischer-uebersetzt-proust-verbleibe-doch-du-bist-so-schoen-12599558.html), wende sich doch bitte an die zuständige Redaktion.


Renate Rocholl schrieb uns am 22.05.2018 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer

Aber Herr Kistenmacher, hier geht es um "Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ in neuer Übersetzung
Von Olaf Kistenmacher.
In Fischers Übersetzung von Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" kommt das Wort Halbjude nicht vor. Glauben Sie mir! Kann sein, dass es irgendwo anders vorkommt, aber das wäre dann eine andere Diskussion, von der ich in der Tat nichts weiß.
Und ich habe nicht gesagt, dass Ihr Aufsatz über Proust und die Fotografie auf Fischer Übersetzung beruhen würde: Ganz im Gegenteil habe ich gesagt, dass er nicht das Geringste damit zu tun hat. Ihr Aufsatz segelt unter falscher Flagge!


Redaktion literaturkritik.de schrieb uns am 23.05.2018 als Antwort auf einen Leserbrief
Thema: Re: Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer

Die Verwirrung rührt daher, dass die Auseinandersetzung zwischen Olaf Kistenmacher und Bernd-Jürgen Fischer zunächst auf die Rezension
Olaf Kistenmacher: Die geheimen Beziehungen zwischen Leben und Werk. Biografisches und Nichtbiografisches zu Marcel Proust
bezogen war und später eine weitere Rezension mit einbezogen wurde, nämlich:
Olaf Kistenmacher: Die innere Dunkelkammer. Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ in neuer Übersetzung.
Die Leserbrief zu beiden Rezensionen stehen zusammen mit anderen auf der Seite "Leserbriefe"
oder sind getrennt jeweils einer Rezension zugeordnet. Wir schlagen vor, die Auseinandersetzung abzubrechen. Andernfalls bitten wir darum, neue Leserbriefe unter der Rezension einzugeben, auf die sie sich beziehen.