Leserbriefe zur Rezension

Historie schlägt Intrige

Hochmittelalter und Renaissance in den Romanen von Marion Harder-Merkelbach

Von Anne Amend-Söchting


Dr. Marion Merkelbach schrieb uns am 21.08.2017
Thema: Anne Amend-Söchting: Historie schlägt Intrige

Gestern erhielt ich folgende Nachricht einer (mir unbekannten) Leserin bezgl. "Das Geheimnis des Medicus":
"Als würde ich da leben. Ich spüre die Zeit in jeder Zelle Leben, wenn ich die Zeilen lese. Selbst meine Nase nimmt all die Gerüche war und jene Bilder von all den unfassbaren Taten spielen sich vor meinem geistigen Augen ab, als wäre ich vor Ort. Mitten drin. Dabei. Betroffene. Zuschauerin. Alles in einem.

(vgl. auch die Rezensionen von (mir unbekannten) Rezensentinnen in der Badischen Zeitung:
www.badische-zeitung.de/literatur-und-vortraege/ketzer-kuenstler-wissenschaftler--116948258.html
www.badische-zeitung.de/literatur-rezensionen/bodenseele-busse-im-kloster-der-guenterstaler-schwestern--74657982.html

Wenn Leser/Rezensenten (s.a. Amazon Rezensionen, die sicherlich auch Kritik üben - vgl. mit Hedwig C.-Mahler ehrt mich) solche Kommentare schreiben, wie kann man dann alle drei Bücher als nicht lesenswert verurteilen. Zitat Frau Prof. Amend Söchting:
"Daraus erwächst weder ein literarisches Kunstwerk noch ein reißerischer Mittelalterroman noch eine lesenswerte Mischung aus beidem. In der Sequenz des Werdens dieser Texte war das Wissen ohne jeden Zweifel als erstes vorhanden. In dieses wurde ein Plot eingefügt, der sich als dürftig und holzschnittartig entpuppt, weil das Wissen nicht in ihn integriert ist, sondern das umgekehrte Prinzip herrscht. Die Woge des Wissens ertränken den Plot und seine durchaus guten Ansätze."
Ich hatte mit Frau Prof. Amend-Söchting einen E-Mail Austausch. Im Folgenden meine Gedanken zu ihrer Kritik:


Sehr geehrte Frau Professor Amend-Söchting,

Bitte erlauben Sie mir, dass ich mich nochmal an Sie wende. Ihre Rezension zu meinen historischen Romanen (Die Bodensee Romane) beschäftigt mich weiterhin. Es gibt einige Punkte, die mir nicht aus dem Kopf gehen und deshalb möchte ich den Versuch nicht auslassen, Sie diesbezüglich zu kontaktieren.

"Die meisten Charaktere bleiben flach und werden marionettenhaft von den Zeitläufen gesteuert.“
Der eigentlich sanftmütige Henker, der zu seiner Profession gezwungen wurde? Leonardo da Vinci (ich habe seine Persönlichkeit anhand seiner Tagebücher intensiv studiert)? Bruder Franziskus ? Der Hexenjäger Rudolf von Baden? - Passt da der Begriff marionettenhaft und flach?


"Wenn man den dritten Band, Das Geheimnis des Medicus, erstmals zur Hand nimmt und vorab einen Blick auf Harder-Merkelbachs Nachwort wirft, geht man davon aus, dass Leonardo da Vinci innerfiktional eine zentrale Rolle spielt.“

Das Nachwort wurde bewusst ein Nachtwort, da es die Erläuterung zu einer neuen Interpretation der Felsgrottenmadonna ist.

"Doch weit gefehlt: der Maestro hat lediglich im letzten Drittel des Romans seinen Auftritt und das, was von ihm in den Roman hineinspielt, erweist sich als nahezu intrigenirrelevantes Füllsel.“

Leonardo ist die Figur, in der sich Simarna als verfolgte Linkshänderin wiederfindet. Er ist der geniale, rationale, aber gleichfalls von der Gesellschaft hinterfragte Charakter, der die Hirngespinste und Mythen um Hexen (Flüge, Geschlechtsverkehr mit dem Teufel) rational widerlegt.

"Beim Lesen fragt man sich des Weiteren, was aus dem zweiten Kind von Simarnas Mutter, das angeblich noch lebte, geworden ist.“
Das Kind ist tot, weil ein Kind im Bauch einer toten Mutter nicht überleben kann.

"Und ein überdimensionales Fragezeichen bildet sich, wenn Matthias, ein glänzender Lateinschüler und studierter Mediziner, im letzten Dialog mit Simarna gesteht, dass er nie in der Lage war, ihre Geheimschrift (Spiegelschrift von rechts nach links) zu entziffern. Dieses Manko hätte zumindest einer Begründung bedurft.“

Wie oft und über wie viele Jahrhunderte wurde Leonardo da Vincis Spiegelschrift als eine von ihm eingesetzte Geheimschrift bezeichnet? (Der Brief wurde Matthias schon bald entwendet).

Für alle meine Romane habe ich mehrere Jahre recherchiert. Da ich gern recherchiere und wissenschaftlich arbeite, war es mein Anliegen, etwas anderes als die üblichen historischen Romane zu schaffen - nämlich die Verbindung von historischem Wissen und Fiktion.
Inzwischen habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Qualität eines Buches vom Verlag abhängig gemacht wird. Ich habe mit Verlagen zusammengearbeitet, aber schlechte Erfahrungen gemacht. Außerdem liebe ich meine Unabhängigkeit, auch wenn der Preis dafür sehr hoch ist.

Es ist mir durchaus bewusst, dass ich meine literarische Qualität weiterentwickeln muss. Ich arbeite daran. Aber der Satz:

"Daraus erwächst weder ein literarisches Kunstwerk noch ein reißerischer Mittelalterroman noch eine lesenswerte Mischung aus beidem.“

ist ein Killer meiner langjährigen Arbeit. Zuschriften von Lesern geben mir zum Glück viel positives Feedback.
Zeitungen lehnen Rezensionen von Selbstverlegern von vorneherein ab - (eine Ausnahme ist die Badische Zeitung - das freut mich sehr. denn meine Bücher wurden (gut) rezensiert, ohne dass ich irgendwelche Kontakte zu den Redakteuren hatte).

So hatte ich mich natürlich auch über eine ausstehende Rezension bei Literaturkritik.de gefreut und bin nun selbstverständlich enttäuscht, dass die Absicht meiner Bücher in Universitätskreisen als „wenig lesenswert“ deklassiert wird – auch im Hinblick darauf, dass ich dem mittelalterliche Studienalltag viel Raum gegeben habe.

Gern würde ich natürlich das ein oder andere Zitat aus Ihrer Rezension verwerten. Dies ist aber nicht möglich, da jeder, der die Rezension bis zum Ende liest, die Bücher nicht in die Hand nehmen und schon gar nicht lesen wird. Sind Sie wirklich der Meinung, das wird dem Inhalt gerecht? Sie schreiben ja freundlicherweise von dem enthaltenen Potential :
„Von Anfang an ergeben sich eine Reihe von Situationen, deren Potenzial grandios ist und die geradezu nach weiterer Elaboration schreien. Es beginnt im ersten Band mit dem (als gotteslästerlich angesehenen) Sezieren von Leichen in Padua, bewegt sich über das erste Zusammentreffen mit der noch jungen Anna von Ulm und das Wüten der Pest in Konstanz bis hin zu den Umständen des Todes von Elisabeth. Weiter geht es in BodenSeele mit der Frage, warum Matthias und Simarna „seelenverwandt“ sind.“
„Quantitativ und qualitativ intensiv zeigen sich hingegen alle Szenen, in deren Mittelpunkt philosophisch-theologische Diskussionen sowie Kunst und Architektur stehen. So gewährt Harder-Merkelbach einen relativ profunden Einblick in die Situation des Übergangs vom Hochmittelalter zur Renaissance, greift etwa die strittige Frage auf, ob das Wissen der Kirchenväter mit dem Studium der antiken Schriften ergänzt werden dürfe. Die Bedeutung der Schnabelmaske während der Pestepidemie kommt genauso zur Sprache wie die Gewohnheit vieler Überlinger Bürger ihre Notdurft in der Öffentlichkeit zu verrichten. Mit der sehr detaillierten Darstellung architektonischer Projekte, so etwa die Planung des Neubaus von St. Peter in Rom, bleibt die Autorin ihrer Profession treu“
Es liegt mir nun viel daran, Sie zu bitten, Ihre oben genannten Feststellungen mit meinen Antworten in Ihrer Rezension abzugleichen. Da geht es nicht um Subjektivität, sondern das sind objektive Antworten.

Außerdem würde es mich freuen, wenn Sie Verständnis für diese Zeilen im Hinblick auf Ihre Kritik haben.

So verbleibe ich mit herzlichen Grüßen vom Bodensee

Marion Merkelbach


Dr. phil. Marion Merkelbach
www.marion-merkelbach.de