Leserbriefe zur Rezension

Allerlei Geschichten von Mirjam

Regina Berlinghof stellt die Botschaft Jesu fundamental in Frage

Von Reinhard Görisch


Regina Berlinghof schrieb uns am 20.01.2001
Thema: Reinhard Görisch: Allerlei Geschichten von Mirjam

Sehr geehrte Damen und Herren,
für eine Autorin ist es immer eine große Freude, wenn ihr Werk
besprochen wird. Ich habe die ausführliche Rezension von Herrn Görisch
mit großen Interesse gelesen. Bitte erlauben Sie mir dazu zwei Anmerkungen:
Herr Görisch bemängelt, daß man am Ende nicht mehr wisse,
woran man glauben solle und worum es mir ginge. Der Roman stelle zwar die
biblische Botschaft Jesu fundamental in Frage, aber dann warnte ich treuherzig
die Leser davor, daß ihre religiösen Gefühle verletzt werden
könnten und daß die Handlung frei erfunden sei. Wenn Jesus im
Roman seine eigene Lehre widerrufe und durch einen Bund universaler Liebe
ersetze, dann ginge das über die Gestaltung mittels eines Liebesromans
weit hinaus und fordere eine eigene "theologische" Wahrheit.
Ist es wirklich naiv-treuherzig, vor einer bitteren, aber hilfreichen Medizin
zu warnen? Ist es treuherzig, wenn ein Gärtner und Rosenzüchter
seine Lieblinge jemanden in die Hand drückt und dabei vor den Dornen
warnt? Im Roman habe ich zu verdeutlichen versucht, daß es mir gerade
nicht auf "theologische" Wahrheiten oder Lehren ankommt. Dies überlasse
ich gerne den Päpsten in Rom. Darauf erheben sie ja das Monopol. Mir
geht es nicht um Lehren und Glauben, sondern um den eigenen Zugang zum Göttlichen.
Um das Selbstsehen, Selbsterkennen des Einsseins aller Wesen. Das ist aber
ein rein subjektiver Weg. Jeder/jede erlangt auf ganz individuelle Weise
Erleuchtung. Und doch ist die Sprache der Mystiker aller Religionen gleich:
Alle sprechen davon, daß das Unendliche nicht mit Worten zu fassen
ist. Auch Jesus sprach übrigens in Gleichnissen! So kann man eine tiefe
allgemeingültige psychische Wahrheit ausdrücken, ohne daß
die objektiv nachvollziehbaren äußeren Umstände absolut
gesetzt werden könnten. Ist die Liebe zwischen Romeo und Julia oder
Tristan und Isolde weniger Wahrheit, weil sie zwischen erfundenen Personen
geschieht? Die Wahrheit der Neunten von Beethoven negiert nicht die Wahrheit
der Beatlessongs und umgekehrt. Beide sind Musik. Aber jeder Versuch, Musik
ein für alle Mal abstrakt zu erklären oder durch ein einziges
Musikstück zu festzulegen, wird scheitern Ebenso verhält es mit
der Religion. "Ich weiß, daß ich nichts weiß", sagte der
weiseste und wissendste aller Menschen, Sokrates. Seit mehr als zweitausend
Jahren werden im Abendland neue theologische Wahrheiten in die Welt gesetzt,
die zu nichts als zu Streit und Bruderkrieg bzw. zur Verfolgung Andersgläubiger
geführt haben. Darum habe ich in aller Bescheidenheit einen Roman verfaßt
und keine neue theologische Wahrheit und Lehre verkündet. Die Form
eines Romans überläßt dem Leser die Entscheidung, ob er
dem darin beschriebenen Wahrheit nachgehen bzw. auf den Grund gehen will.
Ein Roman erhebt nicht den Anspruch, daß der beschriebene Weg der
einzig richtige sei.
Eine Berichtigung zu den bibliographischen Angaben: Ich habe den Roman 1995
im Internet (www.literatur.de) veröffentlicht. Die erste Auflage als
Buch erschien 1997 im Verlag Dietmar Klotz, Eschborn. Die zweite, durchgesehene
und im Layout geänderte Auflage kam zum Jahreswechsel 1998/1999 heraus.
Mit freundlichen Grüßen,
Regina Berlinghof