Kritische Aufklärung

Lutz Hachmeister und Till Wäscher porträtieren in ihrem Buch „Wer beherrscht die Medien“ die „50 größten Medien- und Wissenskonzerne der Welt“

Von H.-Georg LützenkirchenRSS-Newsfeed neuer Artikel von H.-Georg Lützenkirchen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Frage „Wer beherrscht die Medien?“ gehört zum Standardrepertoire gesellschaftskritischer Kompetenz. Verbindet sich doch mit ihr die Sorge um ein zentrales Prinzip demokratischer Gesellschaften: Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit. Sie sei gefährdet, wenn Medienkonzerne monopolartige Strukturen aufbauen, in denen die Vielfalt des Medienangebots verlorenzugehen droht. Eine Sorge, die sich in Deutschland aus historischer Erfahrung speist. War nicht die erste deutsche Demokratie, die Weimarer Republik, auch deshalb untergegangen, weil der reaktionäre Hugenberg-Konzern mit seinem Zeitungsgeflecht in ganz Deutschland zum Steigbügelhalter der NS-Herren geworden war? Während der Nazidiktatur wurde der staatlich kontrollierte zentrale Rundfunk zum wichtigsten Propagandainstrument des Unrechtsstaats. Das nach 1945 aufgebaute öffentlich-rechtliche Rundfunksystem ist eine kluge Konsequenz aus dieser Erfahrung – die auch das Bundesverfassungsgericht in seinen „Rundfunkurteilen“ seit 1961 immer wieder bestätigt hat: Der Rundfunk muss frei sein von unmittelbarer staatlicher Beeinflussung, er ist in seiner öffentlich-rechtlichen Form Teil einer „Grundversorgung“ der Bürgerinnen und Bürger mit Informationen und steht im „publizistischen Wettbewerb“ mit Privatanbietern.

Auch die öffentlich-rechtlichen Medien gehören noch zu den „50 größten Medien- und Wissenskonzernen der Welt“, die der vorliegende Band von Lutz Hachmeister und Till Wäscher vorstellt. Die britische BBC erzielte 2015 einen Umsatz in Höhe von 6,62 Mrd. Euro, was immerhin für Rang 28 auf der Liste reicht. Ein Platz dahinter, mit einem Umsatz von 6,5 Mrd. Euro, folgt die deutsche ARD.

Doch angesichts der rasanten Entwicklung, die das Mediengeschäft spätestens seit der Einführung des privaten Rundfunks Anfang der 1980er-Jahre auch in Deutschland genommen hat, sind die Besitz- und Machtstrukturen jener Konzerne, die inzwischen als weltweit agierende Einheiten ihren Einfluss ausüben, ein wenig aus dem Blick geraten. In ihren internationalen Verflechtungen scheinen sie kaum mehr greifbar. Als man einstmals den „Springer-Konzern“ zum Feindbild erklärte, wusste man noch, wen man meinte; auch das inzwischen untergegangene Imperium des Medienhändlers und Rechteverwerters Leo Kirch vermochte man noch einigermaßen zu identifizieren, aber wer ist „Alphabet Inc.“, die mit einem Umsatz von knapp 67,6 Mrd. Euro die Rangliste anführen? Was machen die?

Sie betreiben Google – und damit Facebook, Youtube und vieles andere mehr. „Alphabet Inc.“ ist ein Medien- und Wissenskonzern im Zeitalter der Digitalisierung. „Wir definieren Medienkonzerne“, schreiben Lutz Hachmeister und Till Wäscher in der Einleitung des nach 1997, 2000, 2003 und 2005 nunmehr zum fünften Mal zusammengestellten Bandes, „als Unternehmen, die publizistische Inhalte in Massenmedien verantwortlich erstellen und/oder verbreiten sowie maßgebliche Teile ihre Umsatzes mit Erlösen aus Rechten/Lizenzen und/oder Werbung erzielen und nicht als reine Telekom- oder Technikprovider auftreten“. Hinzu kommen solche Unternehmen, „die durch Produktion und/oder Distribution maßgeblichen Einfluss auf die kommunikative Umwelt eines breiten Publikums haben“ – etwa mit Film- und Fernsehproduktionen (Serien), Streaming- und Social-Media-Diensten oder auch durch „Games Publishing“, um nur diese wenigen Geschäftsfelder zu nennen.

Die Autoren stellen die 50 größten Medien- und Wissenskonzerne in informativen „Porträts“ vor. Sie informieren über „Geschichte und Profil“ der Unternehmen, beschreiben Geschäftsfelder und aktuelle Entwicklungen, listen „Basisdaten“ auf und nennen die Namen der Verantwortlichen sowie die Gremien, in denen diese sitzen und Einfluss ausüben.

So entsteht ein wichtiges, ein aufklärendes Handbuch, denn es schafft ein wenig Transparenz im Mediengewerbe und erinnert daran, dass die Ausgangsfrage „Wer beherrscht die Medien?“ auch heute – im internationalisierten digitalen Zeitalter – nichts von ihrer Bedeutung verloren hat. Im Gegenteil: Die Aufdeckung der wahren Macht-, Besitz- und Einflussverhältnisse im Geschäft mit den Medien ist politische Bildung. Ironischerweise kommt sie in diesen digitalen Zeiten als analoges Buch daher. Etwas Handfestes, das bleibt. Eben!

Titelbild

Lutz Hachmeister / Till Wäscher: Wer beherrscht die Medien? Die 50 größten Medien- und Wissenskonzerne der Welt.
Herbert von Halem Verlag, Köln 2017.
560 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-13: 9783869622347

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